Alle Teslas stehen still: Jetzt streiken Arbeiter:innen in ganz Skandinavien gegen Elon Musk. Worum es bei diesem Streik geht – und warum es bald auch in Österreich, Deutschland und den USA brenzlig werden könnte.

Elon Musk tobt. “Das ist verrückt”, schreibt er auf seiner Plattform Twitter/X. Anlass für die Empörung des rechten Multimilliardärs: Auch die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes in Schweden hat sich jetzt dem Streik gegen Tesla angeschlossen. Und das ist eine enorme Schlappe für den Autokonzern.

Denn nun stellen die Angestellten der Post keinerlei Ersatzteile und Komponenten mehr an Tesla zu. Blockiert wird die Verteilung, Zustellung und Abholung von Sendungen, Briefen, Paketen und Paletten an allen Tesla-Standorten in ganz Schweden, wie die Gewerkschaft SEKO erklärt. Nicht einmal mehr neue Autokennzeichen werden geliefert. Dagegen hatte Tesla geklagt.

Doch am 7. Dezember hat das zuständige Gericht im Sinne der Gewerkschaft entschieden: Die Nummernschilder müssen nicht an Tesla übergeben werden. Als “äußerst vernünftig” bezeichnet das Gewerkschaftsvorsitzende Gabriella Lavecchia. Und immer mehr Kolleginnen und Kollegen in immer mehr Ländern schließen sich dem Streik gegen Tesla in Schweden an.

Alle Teslas stehen still

Hafenarbeiter:innen in Schweden, Norwegen, Dänemark und jüngst auch in Finnland verladen bereits jetzt keine Teslas mehr nach Schweden oder haben entsprechende Schritte angekündigt. Spätestens ab dem 20. Dezember wird Tesla damit de facto keine Autos mehr nach Schweden verschiffen können. Update: Dänische Hafenarbeiter:innen und LKW-Fahrer:innen haben pünktlich am 20.12. mit dem Streik begonnen.

Jan Villadsen, Vorsitzender der dänischen Gewerkschaft 3F, sagt: “Wir können nicht zulassen, dass ein einzelner Mann oder ein Unternehmen kommt und sagt: Ich möchte das anders machen, Sie müssen Ihr System ändern. Wenn Sie hier sein wollen, sind Sie herzlich willkommen, aber Sie müssen den Regeln folgen.” Auch in Zulieferbetrieben wird inzwischen gestreikt. Für die Profite des Autokonzerns ist das ein schwerer Schlag: Norwegen ist für Tesla weltweit der viertgrößte Markt bei Neuverkäufen, Schweden der fünftgrößte.

Bild: IndustriAll European Trade Union

Der Großteil der Beschäftigten in Schweden hat einen Kollektivvertrag. Doch Tesla weigert sich seit Jahren, einen Kollektivvertrag mit der zuständige Industriegewerkschaft IF-Metall abzuschließen. Wenn Tesla damit durchkommen würde, wäre also das gesamte System der Kollektivverträge in Schweden und in ganz Skandinavien gefährdet.

“Ich habe die leeren Versprechungen satt!”

Mit ihrem Streik sendet die Gewerkschaft damit gleichzeitig auch eine Botschaft an alle anderen Konzerne: Greift unsere Kollektivverträge nicht an. Die IF-Metall hat nach eigenen Angaben auch Aussagen von Streikenden gesammelt und anonymisiert veröffentlicht. Und die Vorwürfe der Kolleg:innen wiegen schwer: “Unsere Gehaltserhöhung (falls wir überhaupt eine bekommen) richtet sich jährlich nach unserer Produktivität als Techniker, gleichzeitig gibt es in unserer Werkstatt nicht genügend Arbeitsplätze, um eine angemessene Produktivität erreichen zu können. Wie können wir in diesem Fall eine Gehaltserhöhung erreichen?”

Bild: IndustriAll European Trade Union

Eine andere Stimme ergänzt: “Einige Kollegen haben aufgrund von Stress und nicht erreichter Produktivität keinen Cent Lohnerhöhung erhalten.” Das wütende Resümee: “Ich streike für einen sicheren und nachhaltigen Arbeitsplatz. Tesla macht genau das, was sie wollen.” Gegenüber der schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter sagt der streikende Autotechniker Olof Sjöström: “Niemand kennt das Arbeitszeitgesetz oder das Arbeitsumweltgesetz.” Die Manager:innen wüssten nicht einmal, mit welchen Chemikalien die Beschäftigten arbeiten müssen.

Und es geht inzwischen bereits um weit mehr als nur um Tesla: Denn mit ihrem Arbeitskampf senden die Gewerkschaften gleichzeitig auch eine Botschaft an die neue rechte Koalition, die in Schweden seit Oktober vergangenen Jahres an der Regierung ist.

Eine Botschaft an die rechte Regierung

Es wird befürchtet, dass diese Koalition, die mit Unterstützung der extrem rechten Schwedendemokraten an der Macht ist, schwere Angriffe auf den Sozialstaat starten könnte. Der Arbeitskampf bei Tesla ist damit auch ein klares Signal an die neue Rechts-Regierung.

Beim US-Automobilkonzern Tesla ist die Verweigerung von Kollektivverträgen eine bekannte Strategie: In den Werken in den USA gibt es ebenso wenig einen Kollektivvertrag wie im großen Tesla-Werk in Berlin-Brandenburg mit rund 11.000 Beschäftigten. Nach Angaben der Gewerkschaft beklagen sich dort zahlreiche Tesla-Beschäftigte über schlechte Arbeitsbedingungen und eine extreme Arbeitsbelastung aufgrund kurzer Taktzeiten, Personalmangel und überzogener Produktionsziele.

Mitte November hatte Tesla für das Werk in Brandenburg aber zumindest Lohnerhöhungen angekündigt. Vermutlich die Reaktion auf eine gewerkschaftliche Aktionswoche der IG Metall – und der Versuch, Solidaritätsaktionen mit dem Streik in Schweden zu unterbinden. In einem Statement gegenüber Motherboard sagt die IG Metall, dass sie den Streiks in Schweden “sehr eng und mit Solidarität für unsere Kollegen in Schweden” folgen würde.

“Gezwungen, den Konflikt zu eskalieren”

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Begonnen hat der Arbeitskampf in Schweden eigentlich recht klein: Mit einem lokalen Streik von rund 120 Kolleg:innen in einer Tesla-Servicewerkstatt. Doch inzwischen weitet sich der Streik immer mehr aus. Auch das Werk in Brandenburg könnte bald teilweise stehen: Für den dort produzierten Tesla Y werden Aluminiumteile des norwegischen Herstellers Hydro Extrusions benötigt. Doch in dessen Fabrik in Schweden werden diese Teile bis auf weiteres nicht mehr hergestellt. Für besondere Empörung bei der Gewerkschaft sorgte dabei, dass Tesla nach ihren Angaben anfänglich Streikbrecher:innen aus anderen Ländern einfliegen lassen wollte.

“So etwas haben wir in Schweden seit 1937 oder so nicht mehr erlebt”, sagt Marie Nilsson, die Vorsitzende der Gewerkschaft IF-Metall, zu Reuters. “Und das hat uns gezwungen, den Konflikt zu eskalieren.” Und diese Eskalation wird nun international spürbar.

Nun beginnen die Kämpfe auch in den USA

In den USA hat die Gewerkschaft “United Auto Workers” (UAW) erst im November einen großen Arbeitskampf mit zahlreichen Verbesserungen für die Beschäftigten gegen die Automobilindustrie gewonnen. Den Sieg der Gewerkschaft gegen die “großen drei” Autokonzerne GM, Ford und Stellantis bezeichnet UAW-Präsident Shawn Fain als einen der größten Erfolge “seit den Streiks in den 1930er Jahren”. Der gelernte Elektriker ist seit März 2023 im Amt, er wurde bei einer Direktwahl der Mitglieder als Vertreter des linken Gewerkschaftsflügels gewählt.

Bild: IndustriAll European Trade Union

Früher hat Fain selbst bei Stellantis gearbeitet – einem Konzern, der mit Tochterunternehmen wie Fiat, Peugeot, Chrysler, Citroën, Opel, Jeep, Chrysler oder Alfa Romeo auch am europäischen Automarkt enorm wichtig ist. Nachdem die UAW nun gegen die “Big Three” gewonnen hat, rücken die nächsten Autobauer ins Visier der Gewerkschaft.

Wenig überraschend nennt die UAW als erstes Tesla – dort beginnt jetzt eine Kampagne zur gewerkschaftlichen Organisierung. Neben Tesla stehen auch Toyota, Hyundai, Nissan sowie die deutschen Autobauer BMW, Mercedes und Volkswagen auf der Liste der Gewerkschaft. Erst vergangene Woche hatte die UAW bekannt gegeben, dass laut neuesten Zahlen bereits 30 Prozent der Fabrikarbeiter:innen bei VW Chattanooga im Bundesstaat Tennessee gewerkschaftlich organisiert seien.

Warum der Arbeitskampf bei Tesla in Schweden international so bedeutend ist

Noch hält sich die IG Metall im großen Tesla-Werk in Berlin-Brandenburg mit Solidaritätsaktionen für den Streik in Schweden zurück. Vermutlich gäbe es dafür auch einfach noch nicht genug Strukturen und Kampfkraft. Doch nachdem die Problematik im deutschen Tesla-Werk genau die gleiche ist wie in Schweden und den USA, werden sich auch hier bald ähnliche Fragen stellen. In Österreich gibt es aktuell kein Werk von Tesla. Das könnte sich aber in Zukunft ändern, sowohl in Graz wie in Villach gab es in der Vergangenheit bereits Gerüchte über Bewerbungen für Werksansiedlungen. Der große oberösterreichische Batteriehersteller Fronius mit mehreren tausend Beschäftigten ist bereits seit Jahren Zulieferer für Tesla.

Bild: Michael Bonvalot

Niemand sollte naiv sein: Auch die großen Produktionskonzerne in Österreich und Deutschland beobachten aktuell sehr genau, wie der Arbeitskampf in Schweden ausgeht. Wenn die Kolleg:innen in Schweden diesen inzwischen sehr symbolischen Kampf verlieren, wird das gesamte skandinavische System der Tarifverträge verstärkt unter Druck geraten. Das könnte sich auch auf Deutschland und Österreich ausweiten. Ein Erfolg gegen Tesla und Elon Musk in Schweden wäre dagegen auch eine enorme Motivation für Kolleg:innen in vielen anderen Ländern, die für Kollektivverträge und für ihre Rechte kämpfen.

Dieser Artikel wurde am 24.12.2023 aktualisiert.

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