Autostraßen in Wien sind meist gut geräumt. Doch für Fußgänger:innen und Radler:innen ist es oft ein gefährlicher Zick-Zack-Lauf im Eis. Ein wesentlicher Grund: Die privat organisierte Schneeräumung.

Wenn es in Wien zu schneien beginnt, sind sie sehr schnell überall auf den Straßen zu sehen: Die Räumungsfahrzeuge der Stadt Wien mit ihren orangen Warnlichtern. Vor allem große Straßen, die in den sogenannten A-Plänen erfasst sind, sind für Autos meist sehr rasch wieder gut befahrbar. Die Räumung der Autostraßen erfolgt dabei direkt durch den Fuhrpark der Magistratsabteilung 48, bei starkem Schneefall werden zusätzlich private Unternehmen beauftragt. Das funktioniert und ist effektiv, weil es zentral organisiert, geplant und gesteuert wird. Ganz anders dagegen ist die Situation auf den Gehwegen.

Denn für die Schneeräumung auf Gehsteigen sind jeweils die angrenzenden Hauseigentümer:innen zuständig. Die wären eigentlich dazu verpflichtet, die Gehsteige in der Zeit von 6:00 bis 22:00 Uhr zu räumen und bei Bedarf dort zu streuen. Zwei Drittel des Gehsteigs müssen dabei laut Stadt Wien geräumt sein, ein Drittel darf zur Schneeablage verwendet werden.

Die Gehsteig-Räumung funktioniert nicht immer

Volle Räumpflicht gibt es in Wien bei Gehsteigen mit einer Breite von weniger als 1,5 Metern, in Kreuzungsbereichen und bei Zebrastreifen, bei Öffi-Haltestellen sowie im Bereich von Parkplätzen für Menschen mit Behinderungen. Der Schnee darf dabei nicht auf den Radweg oder die Straße geschaufelt werden. Festgelegt ist das alles in einer Verordnung des Magistrats der Stadt Wien. Doch in der Realität funktioniert das alles nicht immer zufriedenstellend. Das wissen alle Menschen, die sich hin und wieder zu Fuß in Wien bewegen. Warum ist das so? Und warum funktioniert es auf den Autostraßen so viel besser?

Die wenigsten Eigentümer:innen von Häusern und Liegenschaften machen die Schneeräumung heute noch selbst. Stattdessen werden dafür externe Firmen beauftragt – und die erledigen das mal zufriedenstellend, mal eher fragwürdig. Wer aufmerksam durch Wiens Straßen geht, kann auf vielen Häusern, jeweils an der Grenze zum nächsten Haus, ein kleines Schild entdecken.

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Der privat organisierte Winterdienst

Darauf steht dann beispielsweise “Winterdienst” oder “Winterservice”. Es ist die Kennzeichnung der Schneeräumungsfirmen für die Häuser, für die sie jeweils zuständig sind. Marktführer in Wien und Österreich ist nach eigenen Angaben die Firma Attensam mit bis zu 1500 Mitarbeiter:innen. Die Firma ist groß und hat eine entsprechende Logistik, die Schneeräumung scheint zu funktionieren. Für die Mitarbeiter:innen ist es ein enorm anstrengender Job bei Kälte und Schnee, die Bezahlung in dieser Niedriglohnbranche wird wohl auch nicht zu Spitzenleistungen motivieren.

Firmenchef Oliver Attensam jedenfalls meint in einem Standard-Interview im April 2022, seine Leute würden für ihn durch “dick und dünn” gehen. Im gleichen Interview sagt er zum Thema Mitarbeiter:innen: “Wir können nicht den Abschaum, der überbleibt, als Mitarbeiter bekommen, sondern wir müssen schauen, dass wir gute Leute haben.” Laut Standard entschuldigt er sich danach “zutiefst” für diese Aussage. Seine Wortwahl sollte vielmehr die geringe Wertschätzung aufzeigen, die teilweise gegenüber der Reinigungsbranche bestehen würde.

Hohe Verletzungsgefahr zu Fuß und am Fahrrad

Neben den großen Firmen in der Schneeräumungsbranche gibt es allerdings auch noch einige kleinere. Und hier wird die Räumung dann oft nicht mehr wahnsinnig ernst genommen. Die meisten Menschen haben das vermutlich schon einmal gesehen: Der Gehsteig ist genau bis zur Grenze eines Hauses geräumt. Dann beginnt auf einmal eine ungeräumte und eisige Rutschbahn.

Vor allem ältere Menschen und Menschen, die nicht so gut zu Fuß sind, laufen dort permanent Gefahr, sich zu verletzen. Ein großes Problem sind ungeräumte Bereiche auch für Menschen mit einer Behinderung, etwa für Rollstuhlfahrer:innen. Ebenso für Menschen, die mit einem Kinderwagen unterwegs sind.

Der Fahrradstreifen in Wien versinkt zur Hälfte im Schnee. Bild: Michael Bonvalot

Laufend gefährdet sind auch Menschen, die am Fahrrad unterwegs sind. Hier funktioniert übrigens auch die Räumung durch die Stadt Wien in vielen Fällen immer noch nicht zufriedenstellend. Auf Straßen mit einem Fahrradstreifen sind zwar die Autostreifen meist komplett geräumt – der Fahrradstreifen aber oft bestenfalls zur Hälfte. Und geräumt wird im Winter auch nur ein sogenanntes “Basisradwegenetz” (die Karte kann hier heruntergeladen werden). Übrigens auch viel zu wenig, um Radfahren im Winter attraktiver zu machen.

Zick-Zack fahren zum Zick-Zack räumen

Doch während der Winterdienst auf den Straßen von der Stadt Wien zumindest zentral organisiert wird, können private Liegenschaftseigentümer:innen ihren Winterdienst individuell beauftragen. Ob sie dabei den zuverlässigsten Anbieter wählen oder den allerbilligsten? Das bleibt ihnen überlassen. Dazu ist dieser private Fleckerlteppich offensichtlich weder wirtschaftlich sinnvoll noch umweltfreundlich.

Heute fährt eine Schneeräumungsfirma in eine bestimmte Straße und räumt dort beispielsweise vor den Häusern mit der Hausnummer 1, 2, 3 und 5. Doch für das Haus mit der Hausnummer 4 ist wiederum eine andere Firma zuständig, die extra zu diesem Haus muss. Gesamtwirtschaftlich ist das offensichtlich schlichtweg unsinnig. Und ökologisch ist es absurd.

Das eine Haus wird von einer Firma betreut, für das Haus gleich daneben ist eine andere Firma zuständig. Bild: Michael Bonvalot

Offensichtlich wesentlich effektiver und nachhaltiger wäre es, wenn es auch auf Gehsteigen eine Gesamträumung mit einer einheitlichen Logistik geben würde. Genauso, wie es schon jetzt bei den Straßen gehandhabt wird. Haus- und Liegenschaftsanbieter:innen würden das entsprechend abgelten müssen. Real keine große Veränderung: Sie müssen ja auch jetzt die privat organisierte Schneeräumung bezahlen.

Die Leidtragenden der aktuellen Regelung sind alle Menschen, die in Wien zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren. Im gefährlichen Zickzack stolpern sie oft über vereiste Gehsteige dahin. Das geht besser.

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