Die Ex-Kanzler Kurz (ÖVP) und Gusenbauer (SPÖ), Ex-FPÖ-Vizekanzlerin Riess-Hahn und weitere ehemalige Spitzenpolitiker:innen haben von der Zusammenarbeit mit Benko und Signa profitiert. Wie funktionieren solche Deals und was sagen sie über Österreichs Politik?

Rund um die Weihnachtstage 2017 will der Immobilienmilliardär René Benko groß einkaufen. Diesmal steht ein Prunkstück auf seiner Liste, das riesige Leiner-Möbelhaus auf der wohl wichtigsten österreichischen Einkaufsstraße, der Mariahilferstraße in Wien. Das Problem: Rund um Weihnachten sind in Österreich die Gerichte zu. Doch Benko hat offenbar die richtigen Telefonnummern in seinem Handy.

Laut Medienberichten wird nun schnell das zuständige Bezirksgericht eigens für Benko zwischen den Feiertagen ausgesperrt und ein leitender Beamter aus dem Urlaub zurückgeholt. So kann der Deal noch Ende 2017 grundbücherlich besichert werden. Verantwortlich dafür sollen der damalige ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz sowie der damalige ÖVP-Justizminister Josef Moser gewesen sein. Moser war übrigens ein hochrangiger Überläufer aus der FPÖ: Einst war er sogar Direktor des FPÖ-Parlamentsklubs.

“Serviceorientierte Verwaltung”

Als Medien Wind von der Geschichte gekommen, rechtfertigt sich ein Sprecher von Kurz gegenüber der inzwischen eingestellten Plattform Addendum: Der Zugang der Bundesregierung wäre es eben, “eine serviceorientierte Verwaltung anzubieten”. Ob eine solche “serviceorientierte Verwaltung” samt Extra-Öffnung eines Gerichts zukünftig auch alle anderen Menschen in Österreich erwarten dürfen, blieb dabei leider offen.

Im Zuge der Signa-Pleite berichtet nun der Kurier (Paywall): Allein für die Beratung bei einem Investorendeal im Jahr 2023 soll Sebastian Kurz über seine “SK Management GmbH” einer Signa-Gesellschaft eine Rechnung über rund 2,5 Millionen Euro gestellt haben. Überwiesen hätte die Signa bis dato allerdings “nur” 1 Million Euro, deshalb sei inzwischen auch das Verhältnis zwischen Benko und Kurz getrübt. Update: Laut Medienberichten am 1.12. seien bisher 750.000 Euro beglichen worden. Kurz soll Benko zuvor laut Standard unter anderem bei der Suche nach Investoren in den diktatorisch regierten Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) geholfen haben.

Ein interessanter Steuerdeal

Die persönlichen Beziehungen, die Kurz in seiner Zeit als Kanzler zu Benko aufgebaut hatte, könnten sich für ihn trotz teils ausstehender Beträge also durchaus gelohnt haben. Und auch, während Kurz noch Bundeskanzler war, wurde diese Beziehung eventuell sogar noch intensiver gepflegt, als es zahlreiche gemeinsame Fotos zeigen.

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So kaufte Benkos Signa nach dem Leiner-Flaghip-Store auf der Mariahilferstraße dann im Juni 2018 gleich die gesamte Möbelhandelskette Kika/Leiner. Wenig später könnte das türkise Finanzministerium laut Falter unter Berufung auf den Kika/Leiner-Deal ein Steuerverfahren in einer anderen Sache zugunsten von Benko hingebogen haben.

Darauf würden Aussagen des Vorstands des Wiener Finanzamts 1/23, Werner L., vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hindeuten. Das Finanzamt hatte nach einem Immobiliendeal in der Wiener Innenstadt eine nachträgliche Steuerzahlung von 3,5 Millionen Euro gefordert. Benko und die Signa Holding wollten nicht zahlen, so der Falter. Schließlich hätte sich auch das ÖVP-dominierte Finanzministerium eingeschaltet und Druck auf das Finanzamt gemacht.

Und auf einmal wird das Finanzamt gewechselt

Sektionschef Eduard Müller, damals die rechte Hand von Generalsekretär Thomas Schmid, heute Chef der Finanzmarktaufsicht, hätte beim Finanzbeamten L. angerufen. Unter Hinweis auf die angeblich gesicherten Arbeitsplätze bei Kika/Leiner hätte er darauf gedrängt, das Verfahren “zeitnah und schnell (zu) erledigen”, soll Werner L. gegenüber der WKStA angegeben haben.

Die Zentrale der Signa auf der noblen Wiener Freyung. Bild: Michael Bonvalot

Als das nicht funktioniert hätte, hätte die Signa über Nacht ihren Sitz von Wien nach Innsbruck verlegt. Das dortige Finanzamt hätte dann nach einem Telefonat mit Sektionschef Müller eingelenkt, die Steuernachzahlung wäre reduziert worden. Sowohl Müller wie Benko und die Signa haben alle diesbezüglichen Anschuldigungen zurückgewiesen, es gilt die Unschuldsvermutung.

Gusenbauers Millionendeal

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Sebastian Kurz ist bei weitem nicht der einzige, dessen Weg von der Politik zum Tiroler Immobilienmagnaten René Benko führte. So ist Ex-SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer laut Signa-Homepage weiterhin Aufsichtsratsvorsitzender der Signa Prime Selection AG sowie weiterer Firmen der Signa-Gruppe. Rekrutiert wurde er von Benko unmittelbar nach seinem Ausscheiden aus der Politik im Dezember 2008.

Seine Aufgabe beschrieb Gusenbauer 2018 so: Er würde dafür bezahlt werden, “ein waches Auge” darauf zu haben, “dass das Geld auch gut eingesetzt wird”. Wie gut das funktioniert hat, mögen die geneigten Leser:innen selbst beurteilen.

Was aber wohl jedenfalls ganz gut funktioniert hat, ist das Einkommen des ehemaligen SPÖ-Spitzenpolitikers. Gusenbauer rechnete laut News – offenbar zusätzlich zu seinen Vergütungen als Aufsichtsratsvorsitzender bei Benkos wichtigsten Unternehmen – über seine Projektgesellschaft in den letzten Jahren “wahre Traumgagen” ab. Allein mit zwei Honorarnoten aus dem Jahr 2021 soll Gusenbauer insgesamt 6 Millionen Euro inklusive Umsatzsteuer verrechnet haben. Vermutlich ein fetter Verdienst für den Sozialdemokraten.

Es ist übrigens nicht Gusenbauers einzige Schnittstelle zur Signa. Gusenbauer ist auch Aufsichtsratsvorsitzender der Strabag, eines der größten Baukonzerne der Welt. Deren wichtigste Aktionär: Der Milliardär und langjährige Finanzier der NEOS, Hans Peter Haselsteiner. Und der wiederum ist auch Großaktionär bei der Signa.

Rot, schwarz, blau

Doch bleiben wir noch beim Aufsichtsrat der Signa. Während Gusenbauer wohl die eine oder andere sozialdemokratische Telefonnummer in seinem Handy haben wird, sollte Aufsichtsrat Christoph Stadlhuber ganz gute Kontakte zu ÖVP haben. Einst war er immerhin Kabinettschef des früheren ÖVP-Wirtschaftsministers Martin Bartenstein, danach wurde er Geschäftsführer der Bundesimmobilien – wohl auch nicht ganz irrelevant für den Signa-Job. Heute ist Stadlhuber unter anderem Mitglied des SIGNA Group Executive Board und Geschäftsführer der SIGNA Holding GmbH. Dazu erhält er noch weitere Aufsichtsratsmandate in der Gruppe. Und dann ist da noch Susanne Riess-Hahn, früher Riess-Passer.

Die langjährige FPÖ-Politikerin war zwischen 2000 und 2003 österreichische Vizekanzlerin. Offiziell ist sie nach den Spaltungen der FPÖ im Jahr 2005 aus der Partei ausgetreten. Doch ihre Verbindungen in die Politik sind weiterhin intakt: So wurde sie etwa im März 2020 vom damaligen ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel in den Generalrat der Österreichischen Nationalbank berufen.

“Rene, du Mr. 64 Meter – irre!!”

Für René Benko dürfte die Nähe zu ehemaligen und weiterhin gut vernetzten politischen Granden über die Jahre wohl kein Nachteil gewesen sein. Gleichzeitig ist natürlich recht auffällig, wie viele ehemalige Politiker:innen teils recht unmittelbar nach ihrem Ausstieg aus der Politik bei der Signa unterkamen. Und dann ist da der brisante Vorwurf von Thomas Schmid, ehemals Generalsekretär im Finanzministerium.

Der behauptet, dass Benko ihm angeboten habe, ihn zum “Generalbevollmächtigten” in der Signa Holding zu machen. Jahresgehalt: 300.000 Euro plus gleich hoher Bonus. Benko habe dazu versucht, ihn als Unterstützer für sein Steuerverfahren zu gewinnen. Schmid gab laut Standard gegenüber der WKStA auch an, es habe diverse Einladungen Benkos auf dessen Yacht und nach Lech am Arlberg gegeben.

Einmal sei er auf Benkos Schiff gewesen, selbstredend habe sich Benko Schmids Unterstützung bei seinen steuerlichen Anliegen erwartet. Mit Chats wie “Rene, du Mr. 64 Meter – irre!!” (so lange ist Benkos Yacht) will Schmid seine Behauptungen belegen. Die WKStA ermittelt wegen Bestechung. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Gleichzeitig zeigt diese Episode exemplarisch das Problem.

Was haben sie für diese Jobs getan?

Politiker:innen, die nach ihrer aktiven Zeit höchst bezahlte Jobs und Aufträge bei Konzernen annehmen, sind ein Problem. Es ist völlig klar, warum Konzerne die Nähe zu genau diesen Personen suchen: Deren Adressbuch und Kontakte sind viel Geld wert. Doch diese Kontakte haben diese Personen ja nicht als Privatpersonen gemacht, sondern als gewählte und meist da schon sehr gut bezahlte Politiker:innen.

Und völlig zurecht werden sich solche Ex-Politiker:innen durchgehend eine Frage stellen lassen müssen: Haben sie bereits in ihrer aktiven Zeit im Sinne großer Konzerne gehandelt, um sich so für höchstbezahlte Jobs und Aufträge anzudienen?

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