Dubiose Verwaltungsstrafen von bis zu 300 Euro gegen Antifaschist:innen, die in Steyr gegen die neofaschistische Gruppe Identitäre protestiert hatten. Die Betroffenen wehren sich.

Jeden Sonntag marschieren in der oberösterreichischen Stadt Steyr einschlägige Corona-Kreise und extreme Rechte durch die Stadt. Fast seit Beginn der Pandemie und lange Zeit ohne Anmeldung (im Amtsdeutsch: Anzeige) bei der Polizei. Bekannte Neonazis wie Gottfried Küssel reisen für diesen Aufmarsch schon mal extra aus Wien an. Viele andere kommen aus kleinen Dörfern aus der Umgebung. Das würde sich an den Kennzeichen zeigen, berichten mir Menschen aus Steyr immer wieder. Aus der Arbeiter:innenstadt Steyr selbst seien nur wenige der Marschteilnehmer:innen.

Illegale Bewaffnung

Und die Stimmung ist oft aufgeheizt: Anfang Jänner 2022 hätte ein Teilnehmer zwei Polizisten gar mit Faustschlägen attackiert, einer sei verletzt worden, sagt die Landespolizeidirektion Oberösterreich. Insgesamt vier Polizisten seien verletzt worden, beim Angreifer sei anschließend ein illegaler Teleskop-Schlagstock gefunden worden. Viele in der Stadt sind inzwischen bereits enorm genervt von der sonntäglichen Belagerung – und lokale Antifaschist:innen halten im traditionell “Roten Steyr” immer wieder mit Kundgebungen dagegen.

Doch nachdem die Corona-Aufmärsche inzwischen in der Bedeutungslosigkeit verschwunden sind, versuchen einschlägige Kreise ihre alten Themen hochzukochen. Wie zu erwarten, geht es nun (wieder) um Agitation gegen Menschen mit Migrationsbiografie. Daran beteiligt sich auch die neofaschistische Gruppe Identitäre, die am 14. Mai am Stadtplatz von Steyr dazu agitieren wollte.

Es war ein Teil einer Tour, die die Gruppe unter ihrem Tarnnamen “Die Österreicher” durch mehrere oberösterreichische Städte angekündigt hatte, samt eigens gemietetem Reisebus. Im Bus: Reisekader der Gruppe aus Wien. Auf dem Bus: Einschlägige Parolen (“Hupen für Abschiebungen”, “Österreich zuerst “). Die Ironie, dass der Bus selbst mit rumänischen Kennzeichen fuhr, scheint den Organisator:innen entgangen zu sein.

Du kannst das folgende Banner einfach mit einem Klick auf das X wegdrücken und danach weiterlesen! Oder Du kannst davor noch Journalismus mit Meinung und Haltung unterstützen!

Protest gegen Rechts

Konfrontiert wurden die Auftritte der faschistischen Truppe dann allerdings in mehreren Städten Oberösterreichs von Protesten. Aus einigen Städten habe ich Fotos und Videos geschickt bekommen (an dieser Stelle: vielen Dank für die Reporter:innen vor Ort!). In Wels etwa wurde der Bus behindert.

Und in Haid bei Linz sollen die wenigen Rechten sogar so viel Angst bekommen haben, dass sie schnell die Polizei verständigten.

Auch in Steyr haben sich Menschen dem rechten Mini-Aufmarsch entgegengestellt, dazu trugen sie Schilder und Transparente wie “Steyr bleibt bunt – vielfältig – schön” und “Steyr für Vielfalt”. Die Antifaschist:innen – unter ihnen Aktivist:innen von SPÖ und Grünen – hatten sich vor dem Neutor postiert, der Einfahrt zum Stadtplatz. Dort sollte die rechte Kundgebung abgehalten werden. Als der Bus der Rechten eintraf, stellten sich die Menschen vor dem Tor auf.

Das Video der Situation zeigt, wie der Bus dann einfach auf die stehenden Menschen losfährt, eingewiesen vom Wiener Identitären-Kader Jakob Gunacker. Eine Situation, die die Behörden eigentlich interessieren sollte – doch laut Oberösterreichischen Nachrichten ist hier von Anzeigen “nichts bekannt”.

Strafen gegen Antifaschist:innen

Stattdessen gibt es nun Verwaltungsstrafen gegen mehrere Antifaschist:innen, die am Protest gegen die Rechten vor dem Neutor und dann am Stadtplatz teilgenommen haben. Unter ihnen auch gegen Ruth Pohlhammer, Gemeinderätin für die Grünen. Sie erhielt eine Strafe von insgesamt 300 Euro wegen angeblicher Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Die Versammlung “Steyr für Vielfalt” hätte “im Schutzbereich” der neofaschistischen Versammlung stattgefunden, heißt es in der Strafverfügung, die mir vorliegt.

Pohlhammer dagegen sagt: “Eine Aufforderung zur Auflösung seitens der Polizei hat es vor Ort nie gegeben.” Es wäre auch fast durchgehend gefilmt worden, eine Androhung der Auflösung sei aber nirgends zu sehen und zu hören. Bestätigt wird das von einer weiteren Teilnehmerin der Kundgebung, Daniela Berthold* (der Name wurde auf Wunsch der Betroffenen geändert, der echte Name ist mir bekannt). Auch sie sagt, dass es nie eine solche Aufforderung gegeben hätte.

Pohlhammer sei dann den Ereignissen telefonisch auf einen Polizeiposten eingeladen worden, wie sie mir erzählt. Eine Einladung, der sie freiwillig nachkam, eine rechtliche Verpflichtung dazu besteht nach einem Telefonat nicht. “Auf dem Polizeiposten bin ich dann gefragt worden, wer für den Protest verantwortlich ist”, berichtet Pohlhammer. “Eine reine Formalie”, sei ihr von einem Polizisten gesagt worden. Deshalb hätte sie zugestimmt, dass dann eben ihr Name aufgeschrieben wird. Doch nun wird Pohlhammer offenbar als Verantwortliche der Versammlung geführt, es folgte die Verwaltungsstrafe. Erneut zeigt sich, dass auch scheinbar harmlose Angaben bei der Polizei rechtlich geprüft werden sollten.

Pohlhammer fühlt sich jetzt “von der Polizei gelegt”. Eine weitere Betroffene könnte auch Daniela Berthold sein. Die Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin hat nach eigenen Angaben noch keine Verwaltungsstrafe erhalten, doch die sei ihr bereits angekündigt worden. Die Anschuldigung: “Erregung öffentlichen Ärgernisses”.

Berthold ist empört: “Es muss möglich sein, gegen Faschismus zu protestieren”, wie sie mir sagt. Und zwar, “ohne dass es danach zu Repression durch die Polizei kommt”. Alle Betroffenen kündigen bereits jetzt an, diese Verwaltungstrafen nicht zu akzeptieren. Einsprüche mit juristischer Unterstützung werden vorbereitet.

Während die Polizei nun gegen Antifaschist:innen vorgeht, können die Rechten übrigens weiter mit ihren Corona-Aufmärschen durch Steyr marschieren. Die Aufmärsche sollen bei der Polizei inzwischen bis zum Jahr 2025 angezeigt sein.
_____________________
Jetzt unterstützen!
Hast Du diesen Artikel gut gefunden? Es steckt viel Arbeit darin.

Mein Name ist Michael Bonvalot, ich bin der Herausgeber von standpunkt.press. Ich hätte eine Bitte an Dich!

Ist Dir kritischer Journalismus mit Meinung und Haltung etwas wert? Schon ab 2 Euro kannst Du einen wichtigen Beitrag leisten! Besonders freue ich mich, wenn Du unsere Arbeit monatlich unterstützt. So können wir planen und unsere Arbeit professionell fortsetzen!

• Spendenkonto – monatlich/einmalig:

IBAN: AT64 1420 0200 1026 2551
BIC: BAWAATWW
Easy Bank, 1100 Wien
Kontoinhaber: Michael Bonvalot
(Bitte die Mailadresse als Verwendungszweck, damit ich Dich bei technischen Fragen erreichen kann!)

• Kreditkarte und Paypal – monatlich/einmalig:



 

• Steady – monatlich: Klick hier für Steady!
[Steady zieht hohe Gebühren ab, Bank/Paypal ist daher besser, wenn es Dir möglich ist!]

• Patreon – monatlich: Klick hier für Patreon!
[Patreon zieht hohe Gebühren ab, Bank/Paypal ist daher besser, wenn es Dir möglich ist!]

Vielen Dank für Deine Unterstützung!

Hast Du diesen Artikel lesenwert gefunden? Schick ihn jetzt weiter!