Der ÖVP-Bürgermeister hat gerufen, Faschist:innen sind gekommen. Bis zu 1000 Personen marschierten in St. Georgen gegen die Unterbringung von geflüchteten Menschen. Sarah Mitterhuber aus St. Georgen.

Gegen die Aufnahme geflüchteter Menschen marschierten am Mittwoch im Attergauer St. Georgen hunderte Personen. Nach Angaben der Behörden waren es rund 700 bis 1000 Personen. Das ist realistisch. Neofaschist:innen der Gruppe Identitäre sprechen mit üblicher absurder Übertreibung über “tausende”, die teilgenommen hätten. Organisiert und unterstützt wurde der Aufmarsch nicht nur von der lokalen ÖVP und FPÖ, sondern auch von den Ortsablegern von SPÖ und Grünen.

Faschistischer „Pflichttermin“

Vorgeblich ging es um die – tatsächlich menschenunwürdige – Unterbringung der geflüchteten Menschen in Zelten. Doch die tatsächliche Stoßrichtung wurde schon allein daran deutlich, dass die Autobahnabfahrt nach St. Georgen blockiert wurde. Es ging also nicht um die Form der Unterbringung, sondern um die Unterbringung an sich.

Kein Wunder also, dass in neofaschistischen Gruppen im Vorfeld von einem „Pflichttermin“ die Rede war. Daraus wurde eine überregionale extrem rechte Mobilisierung in den kleinen Ort an der Grenze zu Salzburg.

Genau so war dann auch das Bild vor Ort. Vor dem Gemeindeamt hing zwar ein Banner mit der Aufschrift: „Für eine gerechte Verteilung – Für menschliche Unterbringung – Gegen Fremdenhass“. Doch es war sehr eindeutig, dass die „gerechte Verteilung“ vor allem meinte: Nicht in St. Georgen.

Gruppe Identitäre samt Tarnnamen

Aus dem Publikum heraus waren bereits bei der Auftaktkundgebung zwei Banner aus dem Milieu der neofaschistischen Gruppe Identitäre sehr auffallend: Eines mit einem bekannten Slogan der Gruppe, das andere offiziell von „Aktion Solidarität“, einem Tarnnamen der Gruppe.

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Die Gruppe war auch mit mindestens zwei weiteren Tarnnamen vor Ort: Flyern von „Heimatkurier“ sowie Schildern von „Die Österreicher“. Es sind immer die gleichen Figuren, so soll Größe vorgetäuscht werden. Insgesamt war die Gruppe zwar zahlenmäßig nicht groß, aber organisiert.

Corona-Szene beteiligt sich

Ebenfalls anwesend die lokale Corona-Szene der „Attergauer Montagsspaziergänge“, die auch Trommeln mitgebracht hatten. Dazu einschlägige Schilder der Gruppe Identitäre (“Die Österreicher”) und gelbe Schilder der Attergauer Impfgegner:innen (“Ende der falschen Asylpolitik”). Dazu selbst gebastelte Kartons, auf denen ÖVP, SPÖ und die Grünen beleidigt wurden. Schließlich etliche Österreichflaggen – die mir während des Marsches immer wieder im Gesicht hingen.

Die einschlägige Stimmung zeigte sich dann bereits bei der Auftaktkundgebung. Der Redner der Grünen wurde ausgebuht und ausgepfiffen. Es war nicht deutlich zu hören, ob er deshalb seine Rede sogar früher abbrach. Klar ist aber, dass die Strategie der lokalen Grünen und SPÖ krachend gescheitert ist – falls sie eine hatten.

Faktisch haben sie dabei mitgeholfen, eine symbolische Blockade gegen die Ankunft geflüchteter Menschen zu organisieren. Und damit den Raum geschaffen, den dann einschlägige Neofaschist:innen gefüllt haben.

Grüner wird verbal attackiert

Personen, teils wohl mit bundesdeutschem Akzent, stimmten gegen den Grünen sogar laut hörbar die einschlägige Parole „Volksverräter“ an. Im Vorfeld hatte ÖVP-Bürgermeister Ferdinand Aigner noch behauptet, „Extremisten“ würden beim Aufmarsch nicht geduldet.

“Nicht geduldet” sieht anders aus.

Vor Ort waren die zahlreich anwesenden extremen Rechten dann offenbar kein Problem mehr. Aigner hatte übrigens auch davon gesprochen, dass „Extremismus, egal aus welcher Richtung“, nicht erwünscht sei. Ein klassisches Hufeisen – Linke würden nicht gegen Flüchtlinge marschieren.

Und dann folgten auch von der Bühne einschlägige Slogans durch einen Moderator. Es war nicht zu erkennen, ob es Bürgermeister Aigner selbst war. Von „Unterwanderung“ durch geflüchtete Menschen war etwa die Rede und von einer angeblich notwendigen „Schubumkehr“, kurz bevor der Marsch begann.

Einschlägige Propaganda

Nach der Auftakt-Kundgebung setzte sich die Menge in Richtung Autobahn in Bewegung. Während des Gehens bekamen wir von allen Seiten etwas in die Hand gedrückt – angefangen von der aktuellen Ausgabe von Info Direkt, einem einschlägigen Blättchen aus Oberösterreich, bis zu einem Flyer, auf dem behauptet wurde, dass sich Österreich mitten in einem „Bevölkerungsaustausch“ befinden würde.

Der Anblick war bezeichnend: Kinder spielten auf der Seite der Demonstration, während die Menge, die zu diesem Zeitpunkt bereits von Mitglieder der Gruppe Identitäre angeleitet wurde, rassistische Parolen schrie – einige Meter weiter dutzende Polizist:innen samt Hundestaffel.

Gruppe Identitäre übernimmt

Bald folgten einschlägige Parolen wie „Heimat, Freiheit, Tradition“, ein notorischer Slogan der Gruppe Identitäre. Bei der Autobahn nahm dann Identitären-Gesicht Martin Sellner ein Megafon und konnte sich in einer mehrminütigen Rede in Szene setzen.

Als Sellner schließlich ankündigte, dass der Aufmarsch gemütlich zurück zum Gemeindeamt gehen dürfe, fing die Kerngruppe rund um ihn an, „Widerstand“ zu schreien. Dazu auf allen Seiten Gespräche, die nicht nur rassistisch und fremdenfeindlich waren, sondern auch voller Verschwörungserzählungen.

Eine Demonstration, um menschenwürdige Unterbringung für Geflüchtete zu fordern, war das auf jeden Fall nicht. Stattdessen eine faschistische Mobilisierung. Organisiert von den lokalen Parteien im Gemeinderat.

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