Mehr als zwanzig freiwillige Helfer*innen wenden sich jetzt mit einem offenen Brief an die Politik. Sie fordern dringend mehr Unterstützung bei der Betreuung der ukrainischen Flüchtlinge.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich schreibe ihnen im Namen einer Gruppe Freiwilliger, die am Hauptbahnhof ankommenden ukrainischen Flüchtlingen weiterhelfen. Wir sind dort natürlich mit den MitarbeiterInnen der Caritas in Kontakt und mittlerweile vernetzt und merken, dass wir alle zusammen an unsere Grenzen stoßen; gestern war auch eine Gruppe von PolizistInnen vor Ort, die tolle Arbeit geleistet haben. Dennoch können wir das so nicht weiterstemmen.

Konkret wird vor Ort dringend benötigt:

1. ein Arzt!! Viele der Ankömmlinge haben Durchfall, Kopfschmerzen, sonstige Beschwerden und niemand von uns kann / darf Medikamente verteilen, zumal niemand eine Diagnose stellen kann oder in schwerwiegenden Fällen medizinisch weiterhelfen könnte. Insgesamt wäre es von Nöten, das Rote Kreuz [oder eine andere Rettungsorganisation] ab sofort zu involvieren.

2. eine zweite Notschlafstelle vor Ort am Bahnhof für zumindest (!!!) 100 Personen.Die bereits bestehende ist über ihre Grenzen, und es ist absehbar, dass noch sehr viel mehr Flüchtlinge jede Nacht kommen werden. Es gibt ein Team freiwilliger HelferInnen mit Autos, die Flüchtlinge, v.a. jene mit vielen Kindern und Gepäck, Haustieren, etc., in die Engerthstrasse 267 und anweitere Adressen bringen.

Wir hatten gestern [Anm. am 09.03.] die Situation, dass man mitten in der Nacht um die 100 Flüchtlinge vom Hauptbahnhof in ein Hotel nahe der Pilgramgasse gebracht hat. Die Mitarbeiter des Hotels waren sehr bemüht, aber auch überfordert mit der Situation. Dazusagen muss man, dass es nicht klar war, wie die Menschen, die in der Früh weiterreisen wollen, von dort wieder zurück zum Bahnhof kommen, da von Seiten der Stadt Wien nicht sicher war, ob ein Bus organisiert werden kann.

Man muss sich vorstellen, dass viele Menschen aus Dörfern flüchten und noch nie in einer Großstadt waren, kein Englisch sprechen und teilweise nur die kyrillische Schrift lesen können, damit ist der öffentliche Verkehr keine Option. Ein Mitarbeiter der Stadt Wien hat uns mitgeteilt, es solle niemand am Bahnhof übernachten müssen; gleichzeitig sahen wir uns mit zu wenig Schlafstellen konfrontiert; anscheinend wusste niemand von der Stadt, dass schon längst Flüchtlinge am Bahnhof übernachten.

Das bringt mich zum nächsten Punkt:

3. Dringend von Nöten ist auch ein Shuttlebus, der einsatzbereit Tag und Nacht vor Ort steht. Die Privatinitiative der Zivilgesellschaft ist sehr lobenswert, wir wissen aber immer noch nicht, ob wir überhaupt berechtigt wären, die Flüchtlinge mit privaten Pkws zu transportieren und wie sicher das ist.

4. Insgesamt bräuchte es auch eine übergeordnete Stelle, Stadt Wien?, die einheitlicher koordiniert. So weiß die eine Hand nicht, was die andere macht.

5. Zusätzliche offizielle ÜbersetzerInnen! Auch hier organisieren sich ukrainische, russische, belarussische und österreichische Menschen selbst und sind Tag und Nacht vor Ort; ohne die würde noch viel weniger passieren; sowohl Caritas als auch Polizei haben sich mehrmals bei den Freiwilligen bedankt!!

Mit der Bitte um rasche Hilfe und Kontaktaufnahme,

Xenia Ostrovskaya

im Namen von insgesamt 24 freiwilligen Helfer*innen

(die vollständige Liste der Unterzeichner*innen liegt mir vor)

Mein Name ist Michael Bonvalot. Ich bin Herausgeber des stand.punkt. Ich hätte eine Bitte an Dich: Findest Du diesen Artikel gut? Hier kannst Du den stand.punkt unterstützen!

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