Es gibt Medien, die verwenden sehr gerne Fotos und Videos aus sozialen Netzwerken – ohne zu bezahlen. Jetzt bin ich gegen den Fellner-Konzern vor Gericht gegangen und habe gewonnen. OE24.tv muss zahlen.

  • Von Michael Bonvalot, Herausgeber standpunkt.press

Der Boulevard-Konzern OE24 ist dafür bekannt, gerne fremdes Material zu verwenden. Ohne Erlaubnis und ohne Bezahlung. Jetzt bin ich vor Gericht gegangen und habe gewonnen. OE24 dürfte dieses Urteil äußerst unrecht sein. Doch wie läuft so etwas ab?

Antisemitische Codes, mitten in die Kamera

“So ein Brunnenvergifter wie Du, warum begibst Du Dich nicht heim?”, schimpft mir der bekannte Corona-Marschierer Hannes Brejcha am Wiener Stephansplatz mitten in die Kamera, während er mir bedrohlich nahe kommt. Und gleich danach: “Ihr seid Brunnenvergifter, Spalter und Hetzer!”

Solche Anfeindungen aus der Corona-Szene bin ich inzwischen gewohnt. Auch eindeutig antisemitische Codes wie “Brunnenvergifter” sind leider inzwischen üblich. Doch aus einer journalistischen Perspektive ist es eindeutig eine gute Aufnahme geworden, die mir da am 18. Dezember 2021 gelungen ist. Denn sie entlarvt einen der führenden Köpfe der Szene.

Allein mein Tweet hat über 40.000 Aufrufe.

Dementsprechend schneide ich noch vor Ort das Video auf dem Handy auf eine Länge von 1:18 Minuten, noch die Wassermarke drauf und dann ab in die sozialen Medien. Etliche tausend Menschen werden das Video auf meinen Kanälen auf Twitter, Facebook und Instagram sehen: Allein mein Tweet hat über 40.000 Aufrufe.

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Eine gute Aufnahme – genau das denkt sich offenbar auch OE24.tv, der Boulevard-Sender der Gebrüder Wolfgang und Helmuth Fellner. Denn noch während ich vom Aufmarsch berichte, wird mein Video auf einmal in voller Länge auf dem Youtube-Kanal von OE24 abgespielt. Ohne meine Erlaubnis, einfach von Twitter runtergeladen.

Mein Video taucht auf OE24 auf

Moderiert wird der Beitrag von Niki Fellner, dem Sohn von OE24-Gründer Wolfgang Fellner, sowie einem weiteren OE24-Mann. Aus dem Off ist die beschreibende Stimme der Moderation zu hören.

Brejcha wird kurz vorstellt, dann wird von der Moderation die “extrem aggressive Stimmung wieder gegenüber den Kamerateams und Reportern” beschrieben. Doch es gibt einen entscheidenden Schönheitsfehler. OE24 hatte niemals meine Erlaubnis, dieses Video zu verwenden. Wie der rechtlich – und professionell – korrekte Weg gewesen wäre?

Eine Anfrage bei mir, ob ich mein Material an OE24 verkaufen möchte, dazu ein Angebot für ein adäquates Honorar. Meine Kontaktdaten waren bekannt – schließlich hat der Sender ja bei mir auf Twitter zugegriffen. Doch Anfrage und Bezahlung wollte sich der Fellner-Boulevard offenbar ersparen.

Die Wassermarke? Einfach mal überblenden

Um Diebstahl zumindest etwas schwerer zu machen, veröffentliche ich meine Videos und Fotos generell mit einer Wassermarke, darauf stehen mein Name und meine Webadresse. Das war auch beim Video vom Stephansplatz so. Eine solche Wassermarke wäre bei der Ausstrahlung auf dem Youtube-Kanal von OE24.tv natürlich aufgefallen.

Wie OE24.tv dieses “Problem” – reichlich dreist – umgangen hat? Meine Wassermarke wurde einfach mit einem Insert überblendet. Fast wäre der Sender mit diesem Klau durchgekommen. Denn die Ausstrahlungen via YouTube laufen immer nur für 24 Stunden. Ob das Absicht ist?

Meine Wassermarke wird einfach überblendet

Denn wer Rechteverletzungen in diesem Zeitraum nicht sieht, hat Pech gehabt: Es bleibt einfach unerkannt. Und, ganz ehrlich, wer will sich freiwillig durchgehend OE24 ansehen? Der glückliche Zufall bei meinem Video über Brejcha: Jemand hatte das Video gesehen und mich darauf aufmerksam gemacht. So konnte ich es rechtzeitig sichern.

Ein verdammt gutes Geschäft

Beim Fellner-Konzern war das für mich nicht der einzige Fall. Und auch bei der Boulevard-Konkurrenz Heute.at und beim rechtsdrehenden Sender ServusTV musste ich bereits intervenieren. Und ich bin nicht der einzige Journalist, Fotograf oder Privatmensch, dem so etwas mit der OE24-Gruppe oder anderen Medien bereits passiert ist. Kolleg:innen berichten mir von ähnlichen Fällen.

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Für Medien, die so etwas regelmäßig machen, ist es ein richtig gutes Geschäft. Die meisten Leute trauen sich nicht, sich mit einem Medium anzulegen. Die wenigen, die nachfragen, bekommen meist ein sehr geringes Angebot, weil sie sich rechtlich nicht auskennen. Da bleibt einiges an Geld für die Eigentümer:innen übrig, das sonst als Budget für Bildrechte verwendet werden müsste.

Jetzt wird geklagt

Um der Fellner-Gruppe so etwas – nicht nur für meinen Fall – nachhaltig abzugewöhnen, habe ich am 22. Februar 2022 von dem Handelsgericht Wien eine Klage gegen die “A.Digital Errichtungs- und Beteiligungs GmbH” eingebracht. Das ist die Firma im Fellner-Konzern, die offiziell für den Youtube-Auftritt von OE24.tv verantwortlich ist.

Die Zentrale von Österreich / OE24 in der Wiener Friedrichstraße im 1. Bezirk. Bild: Michael Bonvalot

Verlangt habe ich, vertreten von meiner Medienrechtsanwältin Maria Windhager, drei Dinge:

  1. Die Fellner-Firma muss es ab sofort unterlassen, Ausschnitte aus meinem Video zu zeigen, wenn ich nicht zustimme und als Urheber genannt werde.
  2. Die Fellner-Firma muss ein Honorar (“angemessenes Entgelt”) von 600 Euro für das Video bezahlen, dazu einen Schadenersatz in gleicher Höhe, also nochmals 600 Euro. Der Schadenersatz in gleicher Höhe ist gesetzlich so vorgesehen.
  3. Die Fellner-Firma trägt die vollen Prozesskosten.

Für Fellner und Novomatic

Das Honorar, 300 Euro je angefangene Minute, ist dabei branchenüblich angesetzt. Eigentlich hätte ich auch höher gehen können – denn für mich bedeutet jeder Bericht von einem Corona-Aufmarsch ein hohes Sicherheitsrisiko. Auch am Stephansplatz hatte ich mehrere Sicherheitsleute dabei.

Doch in einer ersten Klagebeantwortung hat die Firma aus dem Österreich-Konzern noch versucht, sich gänzlich aus der Affäre zu ziehen. Vertreten von Fellners Stammanwalt Peter Zöchbauer wurde zuerst argumentiert, dass es sich bei meinen Video ja gar nicht um ein Werk im Sinne des Urheberrechts handeln würde. Obwohl sogar die OE24-Moderation selbst bei der Ausstrahlung davon gesprochen hatte, dass es eine aggressive Stimmung gegenüber “Kamerateams und Reportern” geben würde.

Und falls es doch ein Werk wäre, wäre jedenfalls der von mir geforderte Betrag zu hoch: Maximal 400 Euro wären angemessen, so Zöchbauer. Meine Klage solle daher abgewiesen werden. Zöchbauer vertritt übrigens unter anderem auch den Glücksspiel-Konzern Novomatic. Vor Gericht wurde die A.Digital dann schon etwas kleinlauter.

OE24 will offenbar einen Präzedenzfall vermeiden

Vor dem Handelsgericht Wien war die A.Digital auf einmal sehr wohl bereit zu einem ersten Vergleich. In der Verhandlung am 14. Juni 2022 hatte die Fellner-Firma zumindest eingewilligt, das Video nicht weiter zu verwenden.

Doch Honorar und Schadenersatz wollte der Konzern nicht vollständig bezahlen. Warum der Konzern gerade hier gekämpft hat, darüber kann nur spekuliert werden. Immerhin sind die angesammelten Anwalts- und Gerichtskosten wohl weit teurer. Doch es könnte damit zusammenhängen, dass damit ein Honorar-Maßstab für künftige Videos gelegt wird, die der Konzern ankauft (oder ohne Erlaubnis aus sozialen Medien zieht).

Es wäre noch mehr möglich gewesen

Doch das Gericht hat mir beim Prozess vollständig Recht gegeben. Für Richterin Barbara Maschler war in ihrer Urteilsbegründung klar: Der A.Digital musste als Medieninhaberin “bekannt sein, dass sie für die Verwendung eines Videos eines Journalisten das angemessene Entgelt zu zahlen hat”.

Bild: Michael Bonvalot

Hätte ich das Video verkauft, hätte ich laut Maschler “dafür jedenfalls ein Entgelt von EUR 600,- netto erhalten”. In ihrer schriftlichen Urteilsbegründung erklärt Richterin Maschler sogar, dass auch weit höhere Honorare möglich gewesen wären.

So zitiert Maschler etwa die Honorarempfehlungen für Berufsfotografie. Dort wird für Tonaufnahmen bis zu 60 Sekunden bei Verwendung durch einen überregionalen Sender ein Betrag von 1000 Euro als angemessen betrachtet. Ein wichtiger Hinweis für weitere Klagen. (Das Urteil wird von mir natürlich bei Bedarf zur Verfügung gestellt.) Eigentlich war Fellners A.Digital also sehr glimpflich davongekommen. Dennoch ging der Konzern in Berufung.

Fellner verliert endgültig

Doch Mitte Oktober hat nun auch das Oberlandesgericht Wien für mich entschieden. Die A.Digital muss mir die verlangten 600 Euro Honorar sowie 600 Euro Schadenersatz vollständig bezahlen. Dazu muss die Fellner-Firma auch meine und ihre eigenen Anwaltskosten bezahlen, ebenso die Prozesskosten. Das sind insgesamt mehrere tausend Euro. Das Urteil ist rechtskräftig, es ist keine Berufung mehr möglich.

Das war ein langer und teilweise recht mühsamer Weg. Doch mit diesem Urteil ist gleichzeitig ein Maßstab für weitere Honorar-Forderungen gesetzt, falls der Fellner-Konzern das wieder macht. Und das war es jedenfalls wert. Denn wenn Konzerne glauben, dass sie mit allem durchkommen: Dann muss ihnen auch jemand die Grenzen aufzeigen.

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