FPÖ-nahe Burschenschafter aus ganz Österreich treffen sich in Kärnten. Parallel werden alternativ aussehende Jugendliche mit einer Schusswaffe bedroht.

„Jetzt reicht es“, hätte der Burschenschafter gesagt. Dann hätte er auf einmal eine Pistole gezogen und mit der Waffe auf Kevin, Gabriel und ihre Freunde gezielt. So schildern mir der 18-jährige Kevin und der 19-jährige Gabriel eine höchst gefährliche Situation in der Klagenfurter Innenstadt am Abend des 24. Mai. Die Polizei bestätigt den Einsatz. Die Burschenschaften schweigen.

Titelbild: Burschenschafter: Michael Bonvalot, Symbolbild Pistole: Paulsaa

Alternative Jugendliche werden „angepöbelt“

Kevin, Gabriel und einige Freunde stehen an diesem Abend vor einem Lokal in Klagenfurt und plaudern, wie Kevin erzählt. „Dann sind aus einem Nebenlokal auf einmal zwei junge Männer mit Burschenschafter-Kappe rausgekommen und haben uns angepöbelt.“ Die vollständigen Namen von Kevin und Gabriel sind mir bekannt, Gabriels Name ist auf seinen Wunsch verändert.

Die Freunde sehen alternativ und punkig aus. Sinngemäß hätten die Burschenschafter abfällig gesagt, was das denn „für welche“ seien, erzählt Kevin. „Zuerst haben wir nur nachgefragt, was sie denn damit meinen“, sagt Kevin. Er betont auf meine Frage: „Wir haben zu diesem Zeitpunkt wirklich freundlich nachgefragt.“

„Mit dem Ellbogen in uns rein“

An die Antwort kann Kevin sich nicht mehr genau erinnern – doch sie war nach seiner Darstellung jedenfalls deutlich weniger freundlich. „Dann ist es zu einem Wortwechsel gekommen“, erzählt Kevin. Er und seine Freunde hätten den Männern dabei auch mitgeteilt, was sie grundsätzlich von Burschenschaftern in Klagenfurt halten. Alles, was Du über Burschenschaften wissen musst, habe ich hier von A bis Z für Dich aufgeschrieben.

Auf einmal sei ein dritter Burschenschafter aus dem Lokal gekommen. Nach Kevins Erinnerung wären alle drei Männer Anfang 20 gewesen und hätten die gleiche Kappe in gleicher Farbe getragen – damit wären alle drei aus der gleichen „Verbindung“. Welche Verbindung das war, ist allerdings unklar. „Der dritte Burschenschafter hatte nach meinem Eindruck jedenfalls keinen Kärntner Dialekt“, sagt Gabriel.

Das deutschnationale Denkmal der „Kärntner Einheit“ in der Innenstadt von Klagenfurt. Bild: Michael Bonvalot

Und dann sei es losgegangen: „Der neu dazu gekommene Burschenschafter hat dann richtiggehend Anlauf genommen und ist mit voller Wucht mit dem Ellbogen in unsere Gruppe rein. Der war enorm aggressiv“, schildert Kevin. Darauf seien sich die beiden Gruppen gegenübergestanden.

Mit der Pistole ins Gesicht gezielt

Und auf einmal eskaliert die Lage völlig: „Einer der Burschenschaften hat auf einmal sinngemäß gesagt, dass es jetzt reichen würde. Er hat sein Hemd hinten hochgehoben und eine Pistole herausgezogen“, so Kevin. Gabriel bestätigt das und sagt: „Die gesamte Situation ist auch von rund 20 bis 30 Personen beobachtet worden.“

Dann sehen Kevin und Gabriel eine Fingerbewegung, wie die beiden übereinstimmend berichtet. Kevin erzählt: „Dabei hat er wohl die Waffe entsichert. Anschließend hat er die Pistole deutlich sichtbar durchgeladen.“ Erst hätte der Burschenschafter die Waffe noch mit dem Lauf nach unten gehalten.

Doch „dann hat er die Pistole aus höchstens zwei Meter Entfernung direkt auf mein Gesicht gerichtet“, so Kevin. Der Mann hätte die Waffe dann hin und her geschwenkt und abwechselnd Kevin und seine Freunde bedroht. „Das war schon sehr heftig“, sagt Gabriel. Diese Schilderungen decken sich auch mit einem Bericht des Regionalblatts „Mein Bezirk“.

Schiss statt Schmiss

„Wir und auch der Barbesitzer des Nebenlokals haben dann irgendwie versucht, die Situation zu beruhigen“, erzählt Kevin. Der Barkeeper sei es dann auch gewesen, der die Polizei verständigt hätte. „Es hat gewirkt, als hätten die Burschis zu diesem Zeitpunkt Schiss wegen der Aufmerksamkeit bekommen. Der eine Typ hat die Pistole dann zuerst hinter dem Rücken versteckt und danach eingesteckt“.

Einer der anderen Burschenschafter hätte dann schnell noch gesagt, dass sie sich keine Sorgen machen sollten, es sei „nur eine Schreckschusspistole“. Offenbar ein weiterer Versuch, sich irgendwie aus der Affäre zu ziehen. Das ändert allerdings nichts an der Problematik.

Schwerste Verletzungen möglich

Wenn ein Mensch auf einmal eine Pistole ins Gesicht gehalten bekommt, ist das enorm bedrohlich – und die Person kann auch gar nicht wissen, um welche Waffe es sich handelt. Dazu sind auch Schreckschusspistolen enorm gefährlich: Der bei der Detonation austretende Gasstrahl kann zu schwersten Verletzungen führen.

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Die Burschenschafter hätten dann offenbar versucht, zu flüchten, deshalb „sind wir ihnen nachgegangen“, erzählt Kevin. Die Idee sei vom Barbesitzer gekommen, sagt Gabriel. Die Polizei sei dann allerdings sehr schnell gekommen und hätte die Burschenschafter aufgehalten.

Vorläufiges Waffenverbot – aber keine öffentliche Aussendung

Die Landespolizeidirektion Kärnten bestätigt auf meine Anfrage den Vorfall. Beim Beschuldigten würde es sich um einen 21-jährigen Mann handeln, so Polizei-Sprecher Werner Pucher. Der Einsatz könne „bestätigt werden“ und es sei ein „vorläufiges Waffenverbot“ gegen den Mann ausgesprochen worden. Der Sachverhalt sei „zur rechtlichen Beurteilung an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt übermittelt“ worden.

Meine Frage, ob der mutmaßliche Täter (für den die Unschuldsvermutung gilt) ein Burschenschafter ist, beantwortet der Polizei-Sprecher nicht. „Die Polizei selbst hatte die Amtshandlung in ihren täglichen Aussendungen nicht einmal erwähnt. Das fand ich schon sehr irritierend“, sagt Gabriel. Ein Blick auf die Aussendungsliste der Landespolizeidirektion Kärnten bestätigt das.

Nach nur einer Stunde ist der Burschenschafter offenbar schon wieder auf der Straße

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Was Kevin besonders wundert: „Zuerst hat die Polizei den Burschenschafter mit der Pistole noch mitgenommen. Doch rund eine Stunde später haben wir ihn mit einer größeren Gruppe schon wieder auf der Straße gesehen.“

Bei der Gelegenheit hätte einer der Männer dann auch bestätigt, dass es sich um Burschenschafter handeln würde, so Kevin. Das ist wichtig, denn die Männer hätten ja auch Mitglieder einer katholischen Schüler-Verbindung sein können. Die tragen ebenfalls Mützen auf dem Kopf – doch sie bezeichnen sich selbst nicht als Burschenschaften. Doch was machen die Burschenschafter an diesem Abend in voller Montur in der Klagenfurter Innenstadt?

Der „Burschentag“ des Österreichischen Pennälerrings

Auffällig ist, dass genau an diesem Wochenende im nahegelegenen Villach der „Burschentag“ des „Österreichischen Pennälerrings“ (ÖPR) abgehalten wird. Der ÖPR ist der Dachverband von Österreichs Schüler-Burschenschaften, der sogenannten „Pennalien“. Und am „Burschentag“, dem Bundeskongress der Nachwuchs-Recken, werden die rechten Pläne für die kommenden Jahre zusammengebastelt.

Wie viele Mitglieder und Mitgliedsbünde die deutschnationalen Schüler aktuell haben, ist unklar, die ÖPR-Homepage ist derzeit offline. Doch mir liegt eine Auflistung vom Februar 2024 vor: zu diesem Zeitpunkt waren es rund 60 Verbindungen in ganz Österreich. Für Kärnten werden sechs Schüler-Burschenschaften ausgewiesen. Doch das dürfte längst nicht alles sein.

Wenn aus dem „Turmstüberl“ das „SS-Sturmstüberl“ wird

Denn in Kärnten gibt es noch einen weiteren Dachverband, den „Landesdelegiertenconvent“ (LDC). Und da sind sogar zwölf Verbindungen ausgewiesen: Sechs in Klagenfurt sowie je eine in Feldkirchen, Ferlach, Spittal an der Drau, St. Veit an der Glan, Villach und Wolfsberg. Die Villacher „Arminia“ ist in diesem Jahr auch verantwortlich für die Ausrichtung des „Burschentags“. Und die stand zuletzt erst im März 2025 im Mittelpunkt eines Skandals.

Denn da wird ein Video bekannt, das eine Feier auf der Bude der Arminia dokumentiert. Die Kleine Zeitung berichtet, dass in dem Video einige Männer mehrmals die Parole „SS“ von sich geben. Und einer will sogar ins „SS-Sturmstüberl“ gehen. Ein Lokal mit diesem Namen gibt es in Villach naturgemäß nicht. Allerdings gibt es ein „Turmstüberl“.

Für die Stadt Villach ist das offenbar kein Problem

Die Betreibergesellschaft dieses Lokals weist laut Kleine Zeitung „eine personelle Verflechtung zur Burschenschaft“ auf. Wie klein doch die Welt ist. Die Arminia bestreitet den Vorfall damals nicht einmal, sondern spricht von Bespitzelung und einem, „Lauschangriff“.

Umso unverständlicher, dass die SPÖ-regierte Stadt Villach nur wenige Monate nach diesem Vorfall das städtische „Congress Center Villach“ für den Burschentag zur Verfügung stellt.

„Schlagende Mittelschulverbindungen“ gegen die angebliche „Lügenpresse“

Auch die Homepage des Kärntner Dachverband LDC lässt wenig Fragen zur einschlägigen Gesinnung offen. Mit dem durchgestrichenen Wort „Lügenpresse“ gibt es etwa Empfehlungen für bestimmte Plattformen. Es ist eine Auflistung so ziemlich aller bekannten Medien der äußersten Rechten und der Verschwörungsszene in Österreich und Deutschland.

Die einschlägigen Leseempfehlungen des LDC. Screenshot: Homepage LDC

Empfohlen werden etwa AUF1, Compact, Epoch Times, Report24 oder auch der – seit Kurzem stillgelegte – Heimatkurier der neofaschistischen Gruppe Identitäre. Dazu wird auch das Projekt „Gegenuni“ aus dem Milieu der Identitären beworben. Besonders auffällig: Empfehlungen gibt es auch für den rechtsdrehenden Sender „ServusTV“ des Dosenimperiums Red Bull sowie für das einschlägige Online-Boulevardblättchen Exxpress.

Die Jugendorganisation mit dem 50-jährigen Vorsitzenden

Brisant könnte der Vorfall in Klagenfurt auch durch die politischen Verbindungen des ÖPR werden. Denn der ÖPR gilt (wie alle deutschnationalen „Korporationen“) als Vorfeld der FPÖ. Und Vorsitzender des ÖPR ist bereits seit 2002 der Wiener FPÖ-Landtagsabgeordnete Udo Guggenbichler. In der einschlägigen Szene ist Guggenbichler dazu auch als Organisator des „Wiener Akademikerballs“ der FPÖ und der Burschenschaften bekannt.

Guggenbichler ist inzwischen übrigens seit über 20 Jahren ÖPR-Vorsitzender. Vor wenigen Monaten hatte der Rechtsaußen-Mandatar gar seinen 50. Geburtstag. Sagen wir mal so: Ob Guggenbichler damit sonderlich qualifiziert als Vorsitzender einer angeblichen Jugendorganisation ist, könnte durchaus hinterfragt werden.

Burschenschaftliches Schweigen zum Waffeneinsatz in Klagenfurt

Für diesen Artikel habe ich auch den ÖPR, den Kärntner LDC sowie die Villacher Arminia (also die Verantwortliche für den „Burschentag“)  um Stellungnahmen angefragt. Der ÖPR und der LDC haben auf die Anfrage gar nicht geantwortet. Extreme Rechte sind bekanntlich oft sehr schrill, aggressiv und laut. Auffällig, wenn sie auf einmal schweigen.

Einzig die Arminia hat kurz reagiert. Zum Vorfall selbst und zu möglichen Konsequenzen gibt es allerdings auch hier keinerlei Antworten. Der Vorfall hätte an einem anderen Ort stattgefunden und würde damit auch nicht in die Verantwortung der deutschnationalen Truppe fallen, heißt es. Und außerdem solle ich doch „direkt beim Betroffenen“ nachfragen. Auf mein Ersuchen, mir zu diesem Zweck die Kontaktdaten des Mannes zu schicken, hat die Arminia auf einmal nicht mehr geantwortet.

Wie gefährlich ist das?

Das ist kein harmloser Streit zwischen politisch Andersdenkenden. Der Berliner Waffentechniker Martin Gneißl sagt gegenüber dem Tagesspiegel, dass Schreckschusspistolen eine der „unterschätztesten Waffengattungen überhaupt“ seien. Sie könnten einem Menschen nicht nur erblinden lassen, sondern seien auch „potentiell letal“ – also tödlich.

Bild: Michael Bonvalot

Wer eine Waffe zieht, wird im Zweifel auch bereit sein, sie auch einzusetzen. Aus guten Gründen dürfen Pistolen niemals „zum Spaß“ auf Personen gerichtet werden – schon gar nicht, wenn diese Waffen durchgeladen und entsichert sind.

Wenn jemand eine Pistole ins Gesicht gehalten bekommt, dann macht das Angst. Todesangst. Und genau das ist das Ziel der extremen Rechten: Einschüchtern und Angst verbreiten. Und wer kann garantieren, dass beim nächsten Mal nicht abgedrückt wird?

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