Der ehemalige Organisationsreferent der ÖVP Wien-Favoriten hat sogar bereits ein Empfehlungsschreiben für die faschistischen Grauen Wölfe verfasst. Teil 4 der Serie über die Wölfe.

Der Wiener Gasometer ist gut besucht an diesem 20. April 2014. Der Anlass: Die „Türkische Föderation in Österreich“ (ATF) feiert den vierzigsten Jahrestag ihres Bestehens. Ich war damals vor Ort, auf den ersten Blick wirkte es wie ein ausgelassenes Fest.

Viele BesucherInnen haben offenbar ihr bestes Gewand angezogen, auch viele Jugendliche strömen in die Halle. Es wird gelacht, es wird geplaudert. Doch die ATF ist kein harmloser Kulturverein – sondern der Dachverband der faschistischen Grauen Wölfe in Österreich. Und der 20. April ist der Geburtstag von Adolf Hitler.

Empfehlung aus der ÖVP-Favoriten

Der politische Hintergrund der Veranstaltung zeigt sich bei näherem Hinsehen sofort. Jugendliche posieren für mich mit dem faschistischen Wolfsgruß, auf Schals findet sich der Wolf, das Symbol der Organisation. Was im Inneren des Gasometers passiert, kann ich nicht sagen. Der Ordnungsdienst der Wölfe verbietet mir den Zutritt. Alles über die Symbole der Wölfe könnt ihr in Teil 2 der Serie lesen.

Dass die faschistische Veranstaltung stattfinden kann, ist unter anderem einem Mann zu verdanken: Mustafa Iscel, damals Organisationsreferent der ÖVP Wien-Favoriten. Auf offiziellem Briefpapier der ÖVP erklärt er in einem Brief an den Gasometer seine Unterstützung für die Veranstaltung.

Darin begrüßt er “die integrative Zusammenarbeit des Vereines im Bildungsbereich”. Viele türkischstämmige Österreicherinnen würden sich mit der ATF “identifizieren”, so Iscel. Alles über die ATF und die Organisierung der Wölfe in Österreich könnt ihr in Teil 3 lesen.

Anhänger der Organisation, die Iscel hier lobt, haben im Juni 2020 über mehrere Tage Demonstrationen von linken Menschen aus Kurdistan, der Türkei und Österreich in Favoriten attackiert. Sie haben das linke Zentrum EKH angegriffen und mutmaßlich den kurdischen Journalisten Nurettin Civandağ verletzt.

ÖVP wählen gegen Anerkennung eines Völkermords

Als ÖVP-Mann Mustafa Iscel im Jahr 2014 dieses Empfehlungsschreiben abgibt, ist er bereits kein Unbekannter mehr. Erstmals fällt der Besitzer der Fahrschule Vienna am Favoritner Keplerplatz einer breiteren Öffentlichkeit im Jahr 2006 auf. Damals ließ er Plakate auf Türkisch drucken, auf denen stand: „Falls Sie nicht wollen, dass der Völkermord an den Armeniern anerkannt wird … wählen Sie ÖVP!”

[Du kannst das folgende Banner wegklicken und danach weiterlesen. Du kannst über das Banner auch sehr gern künftige Recherchen mit Meinung und Haltung unterstützen.]

Der Völkermord an der armenischen Minderheit während des Ersten Weltkriegs ist in der Türkei ein klassisches Thema nationalistischer und faschistischer Kreise. Bis zu 1,5 Millionen Menschen wurden damals ermordet. Parallel verübte das Regime Genozide an AssyrerInnen und AramäerInnen. Auch hier wurden hunderttausende ermordet.

Genaue Zahlen zu den Opfern dieser Serie von Völkermorden gibt es bis heute nicht. Alles über die Geschichte der faschistischen Grauen Wölfe könnt ihr in Teil 1 der Serie lesen.

Kein Problem für die ÖVP

Für die ÖVP offenbar kein größeres Problem, im Gegenteil: Iscel macht weiter Karriere in der Partei. 2013 wird Iscel sogar Nationalratskandidat der ÖVP als Nummer 19 auf der Wiener Landesliste. Auch da wird er erneut auffällig, als er der türkischsprachigen Wiener Zeitung “Yeni Nesil” (Neue Generation) droht. Diese solle noch vor der Wahl ein Interview mit ihm veröffentlichen – sonst würde der ÖVP-Wirtschaftsbund für die Annullierung von Inseraten sorgen.

Wiederum offenbar kein Thema für die ÖVP. Denn spätestens 2014 ist Iscel bereits Organisationsreferent der ÖVP Favoriten – und kann in dieser Funktion ein Empfehlungsschreiben für die faschistischen Grauen Wölfe verfassen. Ich hatte dieses Empfehlungsschreiben bereits im Mai 2014 in einem Artikel veröffentlicht. Doch auch danach geht Iscels Karriere in der ÖVP offenbar ungebrochen weiter.

“Wir haben alles unter Kontrolle”

2015 etwa lächelt ÖVP-Mann Iscel breit in die Kamera. Es ist Wahlkampf auf der Favoritenstraße, der Hauptstraße des Bezirks. Stolz zeigt Iscel auf dem Selfievideo sich und seine Gefolgschaft – alle tragen gelbe Jacken der ÖVP.

Screenshot_Youtube

Während eines Kameraschwenks über den Victor-Adler-Markt spricht er auf Türkisch. Dann kommt ein zweiter dazu und behauptet auf Deutsch in die Kamera: “Wir haben alles unter Kontrolle”. Es ist Wahlkampf zum Wiener Gemeinderat. Auf der Favoritenstraße ist das ” Team Mustafa Iscel” unterwegs.

“Wir sind da! Wo sind die anderen?” schreibt der Administrator des YouTube-Accounts herausfordernd unter dem Video. Auf seinem Kanal finden sich noch zahlreiche andere Videos des “Team Mustafa Iscel”.

Bis heute in der ÖVP verankert

Welche Funktionen Iscel heute in der ÖVP oder ihren Vorfeldorganisationen hat, ist unklar. Auf meine detaillierte Anfrage antwortet Michael Ulrich von der ÖVP Wien mit dem lapidaren Satz, “der angesprochene Herr” sei “nicht mehr Funktionär der ÖVP”. Der Schönheitsfehler: Das ist so wohl nicht ganz vollständig.

Denn Iscel wird auch gegenwärtig als Mitglied der Bezirksgruppenleitung des ÖVP-Wirtschaftsbundes in Favoriten geführt. Die ÖVP ist über Bünde aufgebaut – und der Wirtschaftsbund ist eine Teilorganisation der ÖVP. Auch bei den Wirtschaftskammerwahlen 2020 hat Iscel für den ÖVP-Wirtschaftsbund kandidiert.

Die Wiener Teilorganisation des ÖVP-Wirtschaftsbunds nennt Iscel als Ansprechpartner in der Fachgruppe der Kleintransporteure. Der ÖVP-Sprecher hat da also offensichtlich einiges “ausgelassen”. Ideologisch ist das alles übrigens auch nicht völlig inkonsequent. Sowohl die ÖVP wie die Wölfe sind rechte Parteien mit einem religiösen Hintergrund.

Wie tief geht die Zusammenarbeit?

Wie tief die Verbindungen zwischen Iscel und den Grauen Wölfe tatsächlich reichen, muss offenbleiben. Eine diesbezügliche Anfrage von mir an Iscel blieb unbeantwortet. Ebenfalls offen bleiben muss, ob und welche anderen ÖVP-FunktionärInnen mit Verbindungen zu den Wölfen es gibt. Doch Fakt ist: Der langjährige ÖVP-Funktionär und -Kandidat in Wien-Favoriten hat in der Vergangenheit seine Funktion dazu genützt, die Wölfe zu empfehlen.

In den Medien erklärte Innenminister Karl Nehammer nach den faschistischen Provokationen in Favoriten, er wolle “keine Toleranz” zeigen. Doch vielleicht sollte der ehemalige ÖVP-Generalsekretär bei der Toleranz für die Grauen Wölfe einmal in der ÖVP Bezirkspartei in Favoriten anfangen.

Update: Nach Erscheinen des Artikels hat sich auch Iscel bei mir gemeldet. Er hätte “sehr gute Freunde auch im linken Bereich”. Unter Bezug auf sein Empfehlungsschreiben für die ATF behauptet Iscel, er hätte allen geholfen, die seine “Unterstützung benötigt” hätten. Er hätte “keine Verbindung zur ATF”, so Iscel, und wäre “nicht politisch aktiv” – seine Funktionen im ÖVP-Wirtschaftsbund vergisst Iscel da offenbar. Der Artikel wäre “falsch und einseitig”. Falsche Informationen im Artikel konnte Iscel allerdings trotz Nachfrage nicht nennen.

Die gesamte Serie:

Teil 1: Die Grauen Wölfe. Woher kommen sie und warum sind sie so gefährlich?
Teil 2: Die Grauen Wölfe: Wie ihr sie erkennen könnt und warum der Wolf so wichtig ist
Teil 3: So sind die Grauen Wölfe in Österreich organisiert
Teil 4: Welche Verbindungen haben ÖVP-Favoriten und Graue Wölfe?
Teil 5: Faschistische Jugend: Die Grauen Welpen aus Favoriten
Teil 6: Warum sind die Proteste in Favoriten gerade jetzt eskaliert?
Teil 7: In diesen Städten haben die Grauen Wölfe in Österreich ihre Treffpunkte

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