Freitag Nacht musste das Flüchtlingslager Wien-Erdberg komplett geräumt werden. Die Stadt Wien hatte zuvor nur von wenigen Corona-Fällen berichtet.

Am frühen Abend des 1. Mai hatte der medizinische Krisenstab der Stadt Wien in einer Aussendung informiert, dass in der Betreuungsunterkunft “Haus Erdberg” 15 BewohnerInnen und zwei BetreuerInnen positiv auf COVID-19 getestet wurden. In Folge wurde eine Quarantäne über das Haus verhängt, die betroffenen Personen seien alternativ untergebracht worden, so der Krisenstab in dieser Aussendung. Tatsächlich aber wurde das Haus Freitag Nacht weitgehend geräumt. Das bestätigt mir am Samstag vormittag telefonisch auch Andreas Huber, der Sprecher des Krisenstabes.

Die Räumung des Hauses hat gegen 22 Uhr begonnen, ich selbst war ab 22.30 vor Ort. Zahlreiche Familien wurden von Personen mit voller Schutzkleidung aus dem Haus gebracht, das Gepäck – darunter immer wieder Kinderwägen – wurde extra verladen. Die betroffenen Menschen wurden dann mit Linienbussen wegtransportiert. Ich war bis 23.30 vor dem Haus Erdberg, sowohl Polizei wie Feuerwehr gingen davon aus, dass die komplette Räumung des Hauses mehrere Stunden in Anspruch nehmen würde. “Insgesamt geht es um rund 400 betroffene Menschen und deren BetreuerInnen”, so Huber.

Der Großteil der Menschen sollte in das vorbereitete Corona-Massenquarantäne-Quartier am Messegelände gebracht werden, ein kleinerer Teil in das Quarantäne-Quartier in Wien-Floridsdorf. Soweit ich beobachten konnte, war der Umgang mit den betroffenen Menschen zu diesem Zeitpunkt professionell und freundlich. Die Arbeit vor dem Haus übernahmen weitgehend Gesundheitspersonal und Feuerwehr, die Polizei hielt sich weitgehend zurück und war vor dem Haus nur wenig präsent.

Im Vorfeld hatten Quellen aus dem Gesundheitsbereich mich darüber informiert, dass die berüchtigte Sondereinheit WEGA der Polizei eingesetzt werden sollte. Die Order wurde entweder zurückgezogen, die Information war falsch oder diese Sondereinheit kam erst später zum Einsatz.

Es ist kein Zufall und es sollte uns zu denken geben, dass nach dem Flüchtlingslager Traiskirchen nun in einem weiteren Haus für geflüchtete Menschen Corona ausbricht. NGOs wie die “Initiative gegen Rückkehrzentren” warnen bereits seit Wochen davor, dass durch die mangelnden hygienischen Möglichkeiten in den großen Quartieren und den Schubhaft-Gefängnissen Corona-Fälle so gut wie vorprogrammiert sind.

In mindestens einem Wiener Schubhaft-Gefängnis sind aus Protest gegen diese Zustände sogar bereits mehrere Personen in Hungerstreik getreten, zumindest eine Person hat sich sogar dem Mund zugenäht. Wohnungslosen-HelferInnen warnen vor der Situation für ihre KlientInnen. In Traiskirchen müssen die Menschen laut der Initiative im Lager entweder in Schlafsälen oder in 5-Bett-Zimmern übernachten müssten. 30 bis 40 Personen würden sich auf einem Stockwerk die Sanitäranlagen teilen.

Wenn aber unter den Bedingungen auch nur wenige Personen positiv auf COVID-19 getestet werden, sind potenziell hunderte Menschen betroffen – und genau das ist jetzt im Haus Erdberg passiert. Für die betroffenen Menschen bedeutet die Quarantäne, dass sie nun aus ihrer gewohnten Lebensumgebung gerissen werden.

Großteils werden die Menschen in das Massenquartier in der Messehalle übersiedelt, wo es nur wenig Privatsphäre gibt. Die Quarantäne-Halle in der Messe darf auch nicht verlassen werden. Ob die konkreten Corona-Fälle im Haus Erdberg verhindert hätten können, kann aktuell nicht seriös beurteilt werden.

Doch der jetzige Ausbruch sollte eine Warnung sein, was passieren könnte, wenn es Ausbrüche in den großen Lagern für geflüchtete Menschen gibt. Dabei sollten auch die Situation in den griechischen Lagern oder an der EU-Außengrenze in Bosnien nicht aus dem Blick geraten. Im Sinne der Gesundheit ist es jedenfalls höchste Zeit, dass die großen Lager geschlossen werden – und es endlich genug angemessenen und gesundheitlich sicheren Wohnraum für alle Menschen in Österreich gibt.

Hinweis für Medien: Für Berichterstattung unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Menschen und unter Berücksichtigung von deren Interessen stehen Bilder und Videos  zur Verfügung. Kontakt

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