Die alten Nazis sind tot. Doch ihre Enkel besetzen heute wesentliche Positionen in der FPÖ. Und wer die FPÖ verstehen will, muss sich mit der braunen Vergangenheit der Partei beschäftigen.

Am oberösterreichischen Küchentisch der Familie Haider kommt irgendwann im Frühjahr 1955 eine Gruppe von Personen zusammen. Sie sind äußerst einschlägig: Anwesend sind neben der strammen Nationalsozialistin Dorothea Haider auch ihr Mann Robert, er war ab 1938 „Gaujugendwalter“ der Nazis in Oberösterreich. Ein weiterer Teilnehmer der Runde: Friedrich Peter, noch wenige Jahre zuvor SS-Offizier in der berüchtigten 1. SS-Infanterie-Brigade.

Was die Nazi-Kader am Küchentisch besprechen? Nicht weniger als die Gründung der FPÖ. So zumindest wird es später Dorothea Haider in ihrer Autobiografie „Mein Sohn Jörg“ berichten – denn Dorothea Haider ist die Mutter des langjährigen FPÖ-Chefs Jörg Haider. Doch auch Friedrich Peter sticht als Teilnehmer ins Auge.

Titelbild: Anton Reinthaller, erster Vorsitzender der FPÖ; Bild FPÖ: Michael Bonvalot

Peters SS-Brigade nennt der Zeithistoriker Oliver Rathkolb „eine reine Mordmaschinerie“ , die allein im Sommer 1941 insgesamt 17.000 Juden und Jüdinnen – Frauen, Männer, Kinder – ermordete und später noch 25.000 sowjetische Kriegsgefangene umbrachte. Immer im Hinterland, aufgestellt als reine Mordbrigade der Nazis. Kaum denkbar, dass Offizier Peter nicht beteiligt war. Schuldbewusstsein hat Peter später keines: „Ich bin nicht jenen Kreisen zuzuzählen, die angeblich erpresst und gezwungen wurden. Ich bekenne auch heute, dass ich freiwillig zur SS gegangen bin“, erklärt er 1956 gegenüber der extrem rechten Zeitschrift Wikingruf.

All das ist offensichtlich keinerlei Problem für die FPÖ: Sie macht den SS-Offizier Peter ab 1958 für ganze zwei Jahrzehnte zum Parteichef, danach ist er noch bis 1986 Klubobmann der FPÖ-Parlamentsfraktion. Innerhalb der FPÖ wird der SS-Offizier später übrigens als „Liberaler“ gelten – was vor allem sehr viel über die FPÖ aussagt. Und schließlich sitzt auch noch eine weitere graue Nazi-Eminenz am Küchentisch in Bad Goisern, als die FPÖ gegründet wird.

Der erste FPÖ-Vorsitzende ist ein SS-General

Es ist der frühere SS-Brigadegeneral Anton Reinthaller. Der Oberösterreicher war als Unterstaatssekretär in Berlin auch Mitglied der deutschen Reichsregierung in Berlin – und damit nach Adolf Hitler einer der formell höchstrangigen österreichischen Nazis. Vor dem Zweiten Weltkrieg war Reinthaller noch der erste Vorsitzende der antisemitischen Landbund-Partei gewesen.

Doch bald wechselt der deutschnationale Verbindungsstudent (Akademische Landsmannschaft der Salzburger zu Wien) zur erfolgreicheren NSDAP – so wie die meisten Mitglieder des Landbund und der ebenfalls völkischen Großdeutschen Volkspartei (GDVP). Die Zeithistorikerin Margit Reiter schreibt 2018 in einem Beitrag über die frühe FPÖ, Reinthaller sei auch nach 1945 weiter „ein hochrangiger und ideologisch überzeugter Nationalsozialist, der die Partei bis zu seinem Tod im März 1958 prägte“ gewesen.

Eine österreichische Karriere

Exemplarisch für diese jahrzehntelangen Kontinuitäten steht neben Reinthaller auch Emil van Tongel. Er spielt im Gründungsprozess der FPÖ ebenfalls eine zentrale Rolle: Das freiheitliche Bildungsinstitut hebt ihn gar als einen der „Mitbegründer“ der FPÖ hervor. Und auch van Tongel ist damals kein Unbekannter: In der Ersten Republik war er der Wiener Obmann der burschenschaftlich geführten Großdeutschen Volkspartei (GDVP) gewesen.

Diese Partei ist heute – ebenso wie der Landbund – in Vergessenheit geraten, doch in der Ersten Republik war die bürgerlich-völkische GDVP äußerst einflussreich: Sie saß in mehreren Regierungen, bei Wahlen trat sie oft gemeinsam mit dem Landbund an. Bei der letzten Nationalratswahl kamen GDVP und Landbund gemeinsam auf 12,8 Prozent. Doch wie viele andere tritt auch van Tongel bald zur erfolgreicheren NSDAP über, bei ihm ist es 1932 so weit.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird van Tongel dann zuerst Abgeordneter zum Nationalrat – und ab 1964 sogar Klubobmann der FPÖ im Parlament. Reinthaller und van Tongel stehen damit auch stellvertretend für die Geschichte des deutschnationalen Lagers in Österreich. Denn die wichtigsten Parteien dieses Milieus, Großdeutsche und Landbund, gehen im Lauf der 1930er Jahre fast vollständig in den Nazis auf. Es ist übrigens auch ein guter Hinweis für all jene, die meinen, dass die Nazis in Österreich 1938 irgendwie vom Himmel gefallen wären: Tatsächlich gab es seit Jahrzehnten entsprechende Vorläuferparteien in Österreich.

Nach 1945 wechseln diese meist bürgerlichen oder bäuerlichen Nazis dann teils zur FPÖ, teils zur ÖVP. Mehr über die Nazi-Wurzeln der konservativen ÖVP habe ich hier für euch aufgeschrieben. Andere Nazis gehen auch zur SPÖ, so gilt etwa der Bund sozialdemokratischer AkademikerInnen (BSA) damals als „Rote Waschmaschine“, es heißt, dass nur der Buchstabe „B“ ihn von der SA unterscheiden würde.

FPÖ verehrt bis heute den Nazi-„Vorkämpfer für Großdeutschland“

Von den Großdeutschen kommt auch der Nazi Franz Dinghofer, der bis heute seine Schatten ins blaue Österreich wirft. Der rabiate Antisemit Dinghofer war vor dem Zweiten Weltkrieg einer der einflussreichsten Politiker Österreichs gewesen: Zeitweise war der Großdeutsche sogar Vizekanzler einer Koalitionsregierung mit den Christlichsozialen, also der heutigen ÖVP (so schließen sich die Kreise!).

Politisiert wurde Dinghofer in der antisemitischen Grazer Burschenschaft „Oberösterreicher und Salzburger Studenten“, sie wird sich später in „Ostmark Graz“ umbenennen. Die Grazer Verbindung ist Mitglied im „Waidhofener Verband“. Und der hatte bereits 1896 bei einer Versammlung in Wien den Arierparagrafen beschlossen.

Auch Dinghofer tritt der NSDAP bei, das Nazi-Parteiorgan „Völkischer Beobachter“ lobt den Burschenschafter im Mai 1938 gar offiziell als einen „Vorkämpfer für Großdeutschland“. Nach dem Zweiten Weltkrieg geht auch Dinghofer zu den Blauen: Er schließt sich dem 1949 gegründeten Verband der Unabhängigen (VdU) an, also dem Vorläufer der FPÖ. Dinghofer stirbt allerdings, kurz bevor dann 1955 die FPÖ aus der Taufe gehoben wird. Für die FPÖ ist auch diese Biografie überhaupt kein Problem. Ganz im Gegenteil!

Bis heute heißt die wichtigste parteinahe Bildungseinrichtung der Partei „Dinghofer-Institut“ (DI). Bei den jährlichen Symposien dieses Instituts vergeben dann führende Parteigranden sogar eine eigene „Dinghofer-Medaille“. Diese Symposien fanden in den vergangenen Jahren sogar direkt im österreichischen Parlament statt. Alles über Dinghofer und das FPÖ-nahe DI habe ich hier für euch aufgeschrieben.

Der Kriegsverbrecher als Sekretär

Doch bleiben wir noch kurz bei SS-Brigadegeneral und FPÖ-Chef Reinthaller, es lohnt sich! Nachdem der Oberösterreicher zu einem der Führer der österreichischen Nazis wird, will er auch einen Sekretär. Und auch der oberösterreichische Landsmann, den er sich dafür holt, ist kein Unbekannter: Es ist Ernst Kaltenbrunner, er wird wenige Jahre später als Chef des Reichssicherheitshauptamtes zu einem der berüchtigtsten Täter des NS-Regimes überhaupt.

Kaltenbrunner ging in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz übrigens in die gleiche Schule wie Adolf Eichmann und Adolf Hitler. Hier habe ich diese Geschichte aufgeschrieben. Der Oberösterreicher wird nach dem Zweiten Weltkrieg im Nürnberger Prozess als einer der Hauptkriegsverbrecher schuldig gesprochen und 1946 hingerichtet. Sein früherer Chef Reinthaller dagegen kommt davon, obwohl sein Name eigentlich auch auf der Kriegsverbrecherliste steht.

FPÖ-Historiker: „Ein junger, idealistischer Nationalsozialist“

Reinthaller wird zwar Ende 1945 verhaftet und ist ein knappes Jahre im US-Lager Glasenbach zuerst in Salzburg interniert, danach in Nürnberg. Und er wird auch zu einer „mehrjährigen Kerkerstrafe und Vermögensverfall“ verurteilt. Das muss sogar FPÖ-Parteihistoriker Andreas Mölzer in einem Jubelvideo auf YouTube zur Parteigeschichte eingestehen, das 2020 veröffentlicht wird.

Doch kurz nach seiner Verurteilung wird Reinthaller absurderweise vom sozialdemokratischen Bundespräsident Theodor Körner begnadigt. Das findet Unterstützung bei FPÖ-Mann Mölzer: Sogar die Gerichte hätten doch erkannt, so Mölzer, dass der SS-General Reinthaller nur „ein junger, idealistischer Nationalsozialist“ gewesen sei. Wenn sie überlebt hätten, hätten die ermordeten Opfer des NS-Terrors sicher gerne darüber berichtet, wofür „junge, idealistische Nationalsozialisten“ verantwortlich waren.

Das Nazi-Gefängnis Glasenbach als Keimzelle der FPÖ

Das US-Lager Glasenbach, wo auch Reinthaller einsitzt, ist dann so etwas wie der tatsächliche Gründungsparteitag der FPÖ. Interniert ist dort neben den späteren FPÖ-Chefs Reinthaller und Peter unter anderem auch Stefan Schachermeyer, ehemals NS-Gauinspektor in Oberösterreich. Auch er ist Mitgründer der FPÖ, noch 2005 sagt er gegenüber der Oberösterreichischen Rundschau: „Ich war überzeugter Nationalsozialist und bin es im Grunde genommen heute noch. Man kann uns ja außer dieser Judengeschichte gar nichts nachweisen. Es ist ja nur Gutes geschehen.“

Ebenfalls in Glasenbach sitzt Hermann Foppa, ein enger Freund der Familie Haider. Der Tiroler war ab 1931 Obmann der Großdeutschen und saß bis 1934 für die GDVP im österreichischen Parlament (ab 1933 bildeten GDVP und NSDAP dann offiziell eine „Kampfgemeinschaft“). Nach 1938 wird Foppa Mitglied des NS-Reichsrats, also des Pseudoparlaments der Nazis. Und 1950 ist er dann Taufpate des späteren FPÖ-Chefs Jörg Haider.

Dann ist da noch Klaus Mahnert. Im NS-Regime steigt der SS-Obersturmbannführer und „Blutorden“-Träger zum Gauinspektor für Tirol und Vorarlberg auf. Für die FPÖ ist das kein Problem. Die macht Mahnert (trotz Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen seiner Nazi-Aktivitäten) zum Landesparteiobmann der Tiroler FPÖ, zum Geschäftsführer der Parteizeitung „Neue Front“ sowie zum Leiter der Programmkommission. Ab 1959 schickt die FPÖ den früheren Nazi-Führer auch als Abgeordneten ins österreichische Parlament.

Von der „Erb- und Rassenbiologie“ an die FPÖ-Spitze

Und schließlich muss auch Otto Scrinzi erwähnt werden, er ist einer der wichtigsten Gründerväter der Blauen. Der Tiroler Verbindungsstudent und SA-Sturmführer war im NS-Regime Assistent am „Institut für Erb- und Rassenbiologie“ der Universität Innsbruck gewesen. Das Tiroler Institut war Teil der mörderischen NS-Euthanasie-Programme. Nach dem Zweiten Weltkrieg steigt Scrinzi schnell zum Kärntner VdU-Chef auf. Doch sogar der damals zerstrittene VdU ist ihm noch zu wenig rechts, er zieht sich erstmals zurück. Nach der Gründung der FPÖ klappt es dann.

Ab 1966 wird Scrinzi erst FPÖ-Nationalratsabgeordneter und bald sogar stellvertretender Parteivorsitzender. Doch auch die FPÖ verlässt der Tiroler dann für einige Jahre – und gründet eine noch rechtere Abspaltung. (Alles über die zahllosen Abspaltungen der FPÖ habe ich hier aufgeschrieben.) Später kehrt er allerdings zurück in den Schoß der Partei.

„Auch in der NSDAP rechts“

Scrinzis politisches Credo ist wohl am besten mit einem Zitat beschrieben, das die Salzburger Nachrichten im Juni 1980 einem Interview mit dem FPÖ-Mann voranstellen: „Ich war immer rechts, auch in der NSDAP.“ Als der jahrzehntelange Nazi schließlich 2012 stirbt, lobt der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ihn mit folgenden Worten: Scrinzi wäre ein „freiheitliches Urgestein“ gewesen, das „die Werte unserer Gesinnungsgemeinschaft immer gelebt hat“. Welche „Gesinnungsgemeinschaft“ da wohl gemeint ist?

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Die Liste der Nazi-Führer in der FPÖ könnte noch sehr, sehr lange fortgesetzt werden. Es spricht damit also sehr viel dafür, die FPÖ als Nachfolgeorganisation der NSDAP zu bezeichnen. Ein äußerst zynischer Widerspruch zu dieser These wird 1985 allerdings von Jörg Haider kommen. Der behauptet: „Die FPÖ ist keine Nachfolgeorganisation der NSDAP. Denn wäre sie dies, dann hätte sie die absolute Mehrheit.“

VdU: FPÖ-Vorläufer und Sammelbecken wichtiger Nazi-Kader

Als Vorläufer der FPÖ wird bereits 1949 der VdU gegründet, der „Verband der Unabhängigen“. Diese Partei ist von Anfang an ein Sammelbecken wichtiger Nazi-Kader, dazu kommen einige vermeintlich liberale Feigenblätter. Als eines der wichtigsten dieser Feigenblätter wird immer wieder Herbert Kraus genannt, der erste Obmann des VdU. Der wäre angeblich ein „Liberaler“ gewesen, heißt es noch heute immer wieder in Berichten über die FPÖ.

Doch auch Kraus war im Zweiten Weltkrieg Offizier des Nazi-Heeresgeheimdienstes in der Ukraine gewesen, er bildete Truppen zur „Partisanenbekämpfung“ aus. So beschreibt es sogar der 2019 erschienene Bericht der Historiker-Kommission der FPÖ. Was wirklich im Historiker-Bericht der FPÖ steht und was dort alles fehlt, habe ich hier für euch aufgeschrieben. Als antifaschistisches Feigenblatt ist Kraus also wohl eher nicht zu gebrauchen.

Der große Unterschied zur AfD

Erstmals tritt der VdU 1949 zur Nationalratswahl an und erhält aus dem Stand 11,7 Prozent der Stimmen. Bei dieser Wahl gibt es ein Novum: Bei den ersten Wahlen im November 1945 waren rund 800.000 ehemalige NSDAP-Mitglieder noch nicht wahlberechtigt gewesen. 1949 darf dann der Großteil von ihnen wählen – und der VdU schafft es locker ins Parlament. Hier zeigt sich übrigens auch der zentrale Unterschied zur AfD und der äußersten Rechten in Deutschland.

Während die AfD erst seit 2017 im deutschen Bundestag sitzt, ist die extreme Rechte in Österreich bereits seit 1949 parlamentarisch verankert. Die FPÖ sitzt seit Jahrzehnten im Parlament, in den Landtagen, in Bürgermeisterämtern und in vielen weiteren Institutionen. Sie ist „normalisiert“. Deshalb ist auch die offene Nazi-Szene in Österreich weit kleiner als in Deutschland: Die FPÖ vertritt ähnliche Positionen, doch sie bietet Jobs, Karrieremöglichkeiten und oft auch Schutz vor behördlicher Verfolgung.

„Gauleiter“ Strache: Ins Gefängnis oder ins Parlament

Fast exemplarisch wird das später der langjährige Parteivorsitzende Heinz-Christian Strache zeigen. Er beginnt in der deutschnationalen Schülerverbindung „Vandalia“ in Wien und beteiligt sich an Aktionen der Neonazi-Szene. Der langjährige österreichische Neonazi-Führer Norbert Burger ist für Strache in dieser Zeit ein „Vaterersatz“, wie er später selbst sagt.

Damals ist Strache im Milieu von Neonazi-Führer Gottfried Küssel. Fotos zeigen ihn auch in Uniform bei mutmaßlichen Wehrsportübungen.Und wie es auf der Bude seiner „Vandalia“ zugegangen sein soll, schildert ein ehemaliger Strache-Freund gegenüber dem Boulevardblatt OE24 später so:

„Es gibt keine Diskussion – wir waren damals eindeutig Neonazis. (…) Wir haben uns auf der Bude regelmäßig mit dem Hitler-Gruß gegrüßt (…).“ Strache selbst wollte angeblich als „Gauleiter“ angesprochen werden. Doch Strache entscheidet sich schließlich für die Karriere in der FPÖ – und bringt es bis zum Vizekanzler der Republik. Küssel dagegen wandert über Jahre ins Gefängnis.

Selbst der VdU ist vielen noch zu wenig rechts – und die Industrie unterstützt

Bleiben wir aber noch kurz bei der Frühgeschichte der FPÖ! Denn bald brechen im VdU Fraktionsstreitigkeiten aus: Vielen Nazis ist selbst der VdU noch zu wenig weit rechts. Mehrere Landesparteien fordern eine Neugründung unter Führung von SS-Brigadegeneral Reinthaller. Unterstützt werden die Spalter:innen, so der FPÖ-Historikerbericht, von der Industrie.

Die hätte „die gewohnten Zuwendungen gesperrt, um eine schnellere Einigung der einander bekämpfenden Gruppen zu erzielen“. Dabei hilft unter anderem auch eine „Aktion zur politischen Erneuerung“. Es ist eine adelig geprägte ÖVP-Abspaltung, die 1951 zum VdU übergeht. Und auch die ÖVP selbst spielt bereits damals eine wichtige Rolle in der Formierung der äußersten Rechten.

Die ÖVP unterstützt die Nazi-Fraktion – und viele Nazis unterstützen die ÖVP

Anfang 1955 trifft sich der langjährige Austrofaschist und spätere ÖVP-Bundeskanzler Julius Raab tmit Reinthaller. So schreibt es laut FPÖ-Bericht der damalige VdU-Mann Viktor Reimann. Und erst Raab hätte den hochrangigen Nazi Reinthaller schlussendlich zum Wiedereintritt in die Politik überredet.

VdU-Mann Kraus laut FPÖ-Historikerbericht über das Kalkül der ÖVP: „Wir werden an der Stelle des VdU eine Partei von solchen Nazi-Größen aufbauen, dass es kein Sozialist wagen kann, mit ihr eine Koalition zu bilden. Akteure für die neue Partei sind da. Die Nazi sind ja hilflos und auf uns angewiesen.“ Sprich: Die ÖVP bereitet eine Koalition mit den Nazis vor – und will gleichzeitig verhindern, dass die SPÖ eine Koalition mit den Nazis macht.

Für die ÖVP ist das allerdings nur die zweitbeste Variante. Kurz davor, im Jahr 1949, hatte sie in einer Geheimkonferenz im oberösterreichischen Oberweis noch versucht, die Gründung des VdU überhaupt zu verhindern. Stattdessen sollten sich die Nazis geschlossen der ÖVP anschließen. Bei vielen gelingt das auch: Für die Nationalratswahl 1949 unterschreiben über hundert bekannte Nazis einen Wahlaufruf für die ÖVP. Mehr über die Nazi-Wurzeln der ÖVP habe ich hier aufgeschrieben.

Spaltungen wie später in der AfD

Doch der VdU wird dennoch gegründet – und in den ersten Jahren geht es drunter und drüber. Mehrere Landesverbände gründen dann sogar eine eigene Partei, die noch rechtere Freiheitspartei. Egon Denz, ehemals Nazi-Bürgermeister von Innsbruck, leitet dann am VdU-Parteitag im Februar 1955 die nächste Spaltung ein: Seine Rechtsaußen-Fraktion verlässt geschlossen den Saal. Damit haben die offenen Nazis endgültig gewonnen.

Der damalige FPÖ-Chef Strache wird übrigens später die Situation der AfD in den 2010er Jahren mit der Gründungszeit der FPÖ vergleichen: „Die Alternative für Deutschland ist ja eine Partei, die sich in den Geburtswehen befindet“, sagt er 2017 bei einer Pressekonferenz. Wie im „Jahr 1949 bei der FPÖ oder beim VdU“. Die AfD hätte somit noch „viel an interner Bereinigung und Geschlossenheit vor sich“, so Strache.

Es ist eine durchaus treffende Beobachtung der Spaltungsgeschichte der frühen AfD – und zeigt gleichzeitig auch, welch väterliches Verhältnis die FPÖ oft gegenüber der AfD einnimmt. Doch von welcher Bereinigung und Geschlossenheit spricht Strache da?

Eindeutige Botschaften schon bei der FPÖ-Gründung

Die Fraktionskämpfe des VdU werden schließlich auf dem Parteitag am 7. April 1956 endgültig gelöst, indem eine neue Partei aus der Taufe gehoben wird: Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ist geboren. Im Gegenzug lösen sich VdU und Freiheitspartei offiziell auf. Und die Ausrichtung der neuen „Blauen“ ist von Beginn an eindeutig.

Schon die „Freiheit“ der FPÖ ist ein Code: Es ist vor allem die „Freiheit“, wieder weitgehend offen auftreten zu können, nachdem die letzten alliierten Truppen im Oktober 1955 abgezogen waren. Und schon der Gründungsparteitag der FPÖ steht unter dem Motto „Glaube – Treue – Opferbereitschaft“, wie auch ein Foto auf der Seite des FPÖ-Bildungsinstituts zeigt. Es sind eindeutige Botschaften für die Nazis in Österreich.

„Schrecklicher Verdacht: War Hitler Antisemit?“

Dazu bürgt SS-General Reinthaller als erster Vorsitzender der neuen Partei für braune Kontinuitäten. Wie die FPÖ heute zu Reinthaller steht? Das zeigt etwa das bereits erwähnte FPÖ-Video zur Parteigeschichte.

Reinthaller sei von einigen „als ehemaliger NS-Minister als Nazi abgestempelt“ worden, heißt es da. Doch er werde „von vielen als hochrangiger Idealist geehrt“. Zu behaupten, dass ein Nazi-Minister „als Nazi abgestempelt“ worden wäre, erinnert an ein berühmt gewordenes Titelbild im Satire-Magazin Titanic: „Schrecklicher Verdacht: War Hitler Antisemit?“

Rechts für Reiche und Establishment

Besonders gut verankert sind die Blauen schon damals im deutschnational und burschenschaftlich dominierten Establishment kleiner und mittelgroßer Städte: Den Apothekern, Ärzten und Anwälten (die männliche Form ist dabei nicht zufällig gewählt). Gut verankert ist die FPÖ aber auch unter Großbauern und Holz-Industriellen, vor allem in Kärnten und der Steiermark. Es sind die sogenannten „Sterzgrafen“. Hier zeigen sich nicht zuletzt die Kontinuitäten zu den Großdeutschen und dem Landbund.

Und schließlich sind da die guten Verbindungen zur Stahl- und Chemieindustrie, vor allem in Oberösterreich. Und die gibt es bis heute: So sei der oberösterreichische Ableger des Industrie-Dachverbands Industriellenvereinigung bis heute „am Blau-affinsten“, da gäbe es „die wenigsten Berührungsängste“. Das sagt einer, der es wissen muss: Hans Peter Haselsteiner, Chef der österreichischen Strabag und damit einer der größten Bauunternehmer Europas.

Haselsteiner selbst war lange Jahre der wichtigste Finanzier der neoliberalen Neos, der österreichischen Schwesterpartei der FDP. Die Neos sind übrigens aus einer Abspaltung der FPÖ entstanden. Die Verbindungen der FPÖ zur Industrie könnten jedenfalls auch ein wesentlicher Grund sein, warum aus der FPÖ bis heute die menschengemachte Klimakrise verharmlost und geleugnet wird.

Die Nazis im Vorfeld

Apropos Eliten und die FPÖ: An dieser Stelle muss zweifellos auch Franz Hueber genannt werden, der Schwager von NS-Größe Hermann Göring. In der Ersten Republik ist der deutschnationale Verbindungsstudent Hueber einer der wichtigsten Führer der katholisch-faschistischen Heimwehr. Der in Salzburg aktive Faschist wird Anfang der 1930er Jahre sogar kurzfristig Justizminister. Dazu ist der Jurist aus einer Juristenfamilie zeitweilig auch Klubobmann der Heimwehr-Fraktion „Heimatblock“ im Parlament. Doch dann tritt auch er zur NSDAP über – wie viele andere andere Heimwehr-Kader.

Pfeil nach rechts. Bild: Michael Bonvalot

Im NS-Regime übernimmt Hueber dann höchste Funktionen, so ist er etwa Unterstaatssekretär im NS-Justizministerium in Berlin sowie Präsident des Reichsverwaltungsgerichtes. 1948 wird er deshalb zwar zu 18 Jahren Kerker verurteilt, doch bereits 1950 bedingt entlassen. In einer Geschichte der FPÖ würde Hueber allerdings vermutlich nicht weiter auffallen, denn dort übernimmt er, soweit bekannt, keine hohen Funktionen. Doch tatsächlich ist Hueber weiterhin höchst aktiv.

So wird er etwa 1957 einer der drei Gründer des heute noch bestehenden „Neuen Klubs“ in Salzburg. Und der wiederum ist der Nachfolgeverein des Deutschen Klubs – eines antisemitischen Elite-Vereins der ersten Republik. Dazu ist Hueber laut dem „Salzburg Wiki“ der Salzburger Nachrichten auch langjähriger „Gauobmann“ der deutschnationalen Vorfeldorganisation „Österreichischer Turnerbund“ (ÖTB) in Salzburg. Kaum sichtbar in der Öffentlichkeit, doch enorm bedeutend im Hintergrund.

Die nächste Nazi-Generation kommt ans Ruder

Bald stößt auch die nächste Generation zu den alten Nazi-Eliten in der FPÖ. Einer von ihnen ist der Wiener Karl Kowarik. Vor dem Zweiten Weltkrieg war er Führer der gesamten Hitlerjugend in Österreich gewesen. Nach der Niederlage der Nazis verständigt er sich (wie viele andere Nazis) mit der US-Administration und soll nun als US-Agent in Zusammenarbeit mit dem US-Militär eine „österreichische Nachrichtenorganisation“ aufbauen. Die soll „im Ernstfall als antibolschewistische Untergrundbewegung funktionieren“.

Gleichzeitig beteiligen sich Kowarik und andere nunmehrige US-Agenten führend an der Gründung des VdU. Und Kowarik macht dabei Karriere: Zwischen 1957 und 1960 wird der frühere HJ-Führer sogar Generalsekretär der FPÖ. Gleichzeitig steht Kowarik auch fast exemplarisch für die Kontinuitäten in der FPÖ, die bis heute nachwirken.

So wurde auch Kowariks Sohn Helmut bis 2005 FPÖ-Abgeordneter im Wiener Gemeinderat. Und nun hält bereits Enkel Dietbert Kowarik die einschlägige Fahne hoch: Inzwischen sitzt auch er für die FPÖ im Gemeinderat der Bundeshauptstadt . Zusätzlich arbeitet Enkel Kowarik unter anderem als Notar für die Gruppe Identitäre. Und schließlich ist der Burschenschafter auch noch in der Sportorganisation Österreichischer Turnerbund (ÖTB) aktiv.

Menschen im Ofen verbrennen ist ein „Pflichtlied“

Eines der „Pflichtlieder“ des ÖTB für Kinder: „Wann die Leit grantig sein, schiabt mas in‘ Ofen nein und heizt ein!“ Also Menschen in den Ofen schieben und verbrennen. Hier habe ich diese Geschichte für euch aufgeschrieben.

Beim „Bundesjugendturnfest 2024“ des ÖTB in Mödling bei Wien taucht FPÖ-Gemeinderat Kowarik dann bereits gemeinsam mit seinem Nachwuchs auf, wie ich vor Ort recherchiere. Und so wird die nächste Generation einschlägig vorbereitet. Vorfeld-Organisationen wie der ÖTB sorgen damit auch für die eindeutigen Kontinuitäten in der FPÖ.

Die zentrale Rolle der Burschenschaften

Bewahrt werden die einschlägigen Traditionen der FPÖ auch und vor allem über die deutschnationalen Student:innenverbindungen. Die Burschenschaften, Corps, Landsmannschaften und anderen Verbindungen waren schon in den 1920er Jahren die Keimzelle der NSDAP. Und bis heute findet dort die ideologische Schulung statt, dazu werden auf den Buden rechte Karrieren geschmiedet und Netzwerke geknüpft.

Und: In den Verbindungen kommen alle Fraktionen der extremen Rechten zusammen. So sind die meisten FPÖ-Führungsfiguren ebenso „korporiert“ wie der Kaderkern der Identitären von Martin Sellner abwärts oder auch die Spitze der österreichische Neonazi-Szene. Damit sind die Korporationen die wichtigste Scharnierorganisation der österreichischen Rechten. Alles was ihr über Burschenschaften wissen müsst, könnt ihr hier lesen.

Wäre es ein Brettspiel, es hieße „Finde den Naziopa“

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Personen, die selbst noch NSDAP-Mitglieder waren, finden sich heute in der FPÖ naturgemäß kaum mehr. Dafür sorgen biologische Prozesse. Doch gleichzeitig steht die Kowarik-Dynastie exemplarisch für ein Muster, das wir in der FPÖ bis heute immer wieder finden. Wäre es ein Brettspiel, hätte es den Namen „Finde den Nazipapa“ oder „Finde den Naziopa“.

Jörg Haider hatte ich ja bereits erwähnt, seine Eltern waren überzeugte Nazis. Noch 1995 zeigt Haider bei einer Veranstaltung seine eindeutigen Sympathien. Im Kärntner Krumpendorf organisieren im September 1995 frühere SS-Männer eine geschlossene Veranstaltung am Rand des einschlägigen Ulrichsbergtreffens. Haiders Worte an die SS-Veteranen: Diese seien „anständige Menschen mit Charakter“, die „auch bei größtem Gegenwind zu ihrer Überzeugung stehen“. Und die Anwesenden seien „den anderen geistig überlegen“, auch „wenn wir momentan nicht mehrheitsfähig sind“.

Heinz-Christian Strache hat ebenfalls eine eindeutige Biographie: Sein Großvater Erich Wild war Mitglied der Waffen-SS, wie die beiden Journalistinnen Nina Horaczek und Claudia Reiterer in ihrer Biografie „HC Strache“ schreiben. Später, als FPÖ-Chef, sagt Strache dann über die Waffen-SS, er „lehne es ab, Menschen pauschal abzuurteilen oder ein ganzes Volk zu kriminalisieren“.

Es bleibt „Althochdeutsch“

Auch Straches Kurzzeit-Nachfolger als FPÖ-Chef, Norbert Hofer, kommt wohl aus interessantem Hause. Schon sein Vater Gerwald war Obmann der FPÖ-Truppe „Freiheitlicher Seniorenring“ im östlichen Bundesland Burgenland gewesen. Norbert Hofer heißt übrigens mit vollem Namen ebenfalls „Norbert Gerwald Hofer“. Sagen wir es so: Dieser althochdeutsche Name ist in Österreich generell eher ungebräuchlich. In manchen Familien dagegen …

Und der aktuelle FPÖ-Chef Herbert Kickl? Er selbst sagt dazu im April 2024 auf Youtube: Sein Großvater wäre „bei den Panzern im Russlandkrieg“ gewesen. Er war also mindestens in der Nazi-Wehrmacht. Kickl hatte nach eigenen Angaben zu diesem Großvater ein besonders inniges Verhältnis, wie er im gleichen Video berichtet. Und noch Kickl hatte 2010 in einer TV-Diskussion behauptet: „Eine Einheit wie die Waffen-SS“ wäre nicht „kollektiv schuldig zu sprechen“.

Was wir ebenfalls wissen: Als Innenminister behauptete Kickl 2018 im österreichischen Parlament, dass Neonazismus in Österreich nicht strafbar wäre. Das ist Unsinn. Im Paragraf 3g des österreichischen Verbotsgesetzes steht eindeutig, dass jede Betätigung „im nationalsozialistischen Sinn“ verboten ist. Doch die Neonazi-Szene wird Kickls Auslassungen zweifellos mit Freude vernommen haben.

FPÖ-Chef Kickl: Trägt Rechtsextremismus-Vorwurf „wie einen Orden“

In einer absurden Geschichtsfälschung behaupten bürgerliche und rechte Kreise in Österreich und Deutschland heute gerne, dass Hitler und die Nazis angeblich Sozialisten gewesen wären. AfD-Chefin Alice Weidel versteigt sich gar zur abstrusen Behauptung, Hitler wäre „Kommunist“ gewesen.

Tatsächlich ist das nur ein extrem billiger und durchschaubarer Versuch, die Geschichte des eigenen politischen Lagers zu verwischen. Die FPÖ zeigt das besonders deutlich – und nachdem die österreichischen Blauen eine jahrzehntelange Geschichte haben, lassen sich die Spuren einfach nicht verwischen. Doch im Gegensatz zu Weidel ist FPÖ-Chef Kickl immerhin weitgehend ehrlich.

Denn beim FPÖ-Neujahrstreffen 2024 ruft er seinen johlenden Anhänger:innen zu: Wenn er „als rechtsextrem beschimpft“ werde, dann so Kickl, „trage ich diese Beschimpfung wie einen Orden“. Da bleiben keine Fragen offen.

Aktualisiert um weitere Informationen zu Friedrich Peter und Jörg Haider.

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