Die einschlägigen Parolen von Spielern und Co-Trainer sind nur die Spitze eines homophoben Eisbergs der Grünen. Jetzt entschuldigt sich Rapid – doch das ist zu wenig.

Es ist der nächste homophobe Skandal bei Rapid. “Wir wollen keine arschwarmen Veilchen” gibt Rapids Co-Trainer Stefan Kulovits durch ein Megafon den Fans die Parolen vor. Neben ihm brüllen Rapids Kapitän Guido Burgstaller und Star-Spieler Marco Grüll begeistert mit.

Dass Grüll und Burgstaller beteiligt sind, könnte auch Fans der deutschen Bundesliga interessieren. Grüll soll ab Sommer für Werder Bremen auflaufen – einen Verein mit einer bekannten linken Kurve. Und Burgstaller war Starspieler beim FC St. Pauli, der international für seine Weltoffenheit bekannt ist.

Homophobe Parolen schon während des Spiels

Nach dem großen Wiener Derby brechen bei Rapid alle homophoben und sexistischen Dämme. Nach zehn Jahren können die Grünen im eigenen Stadion erstmals den – ersatzgeschwächten – Erzrivalen Austria Wien bezwingen. Die Freude der Hütteldorfer ist enorm. Nachvollziehbar nach dieser unendlich langen Durststrecke. Doch wie sich diese Freude äußert, ist ein enormes Problem.

Schon während des Spiels hatten Rapid-Fans im Stadion wiederholt die homophobe Parole “Schwuler FAK” angestimmt, mindestens zweimal war das auch in der TV-Übertragung gut hörbar. Leider bei weitem nicht das erste Mal. Ganz im Gegenteil. Doch wie will Rapid hier glaubwürdig dagegenhalten, wenn sogar die eigenen Funktionäre und Spieler den Fans homophobe Parolen vorgeben?

Bereits kurz nach dem Derby macht ein erstes Video die Runde. Rapids Ex-Star und nunmehriger Geschäftsführer Stefan Hofmann hatte die Austria als “Arschlöcher” bezeichnet. Er entschuldigt sich nach dem Bekanntwerden des Videos dafür, die Aussage sei “nicht für die Öffentlichkeit bestimmt” gewesen.

Eine seltsame Entschuldigung. Wenn eine Aussage falsch ist, dann ist sie ja nicht nur falsch, wenn die Öffentlichkeit sie zu sehen bekommt. Andererseits ist die Sprache beim Fußball tatsächlich etwas anders als beim Schach. “Arschlöcher”, das werden sich vermutlich die meisten schon einmal über den jeweiligen Erzrivalen gedacht haben. Also Schwamm drüber. Doch was dann folgt, ist eine ganz andere Nummer.

Größter Wiener Bezirk sexistisch beschimpft

Da sind einerseits die homophoben Parolen von Burgstaller, Grüll und Kulovits. Und dann gibt es noch ein weiteres Video derselben Situation, wo gut zu sehen und zu hören ist, wie Burgstaller durch ein Megafon die Parole “Favoriten ist der größte Hurenbezirk” vorbrüllt. In Wien kleben auch Aufkleber mit der selben Parole. Favoriten, ein traditioneller Arbeiter:innenbezirk, ist der einwohner:innenstärkste Bezirk Wiens. Und gleichzeitig die Heimstätte der Wiener Austria.

Dass die Spieler und der Co-Trainer von Rapid damit rund 200.000 Menschen in Favoriten beschimpfen, müssen sie mit sich selbst und ihren Fans ausmachen. Doch dass sie es mit einem eindeutig sexistischen Vokabular machen, geht die gesamte Öffentlichkeit etwas an.

Rapid distanziert sich – viel zu schwach

In einer Stellungnahme distanzieren sich Rapid-Präsident Alexander Wrabetz sowie Vizepräsidentin Edeltraud Hanappi-Egger: “Gesellschaftliche Vielfalt” würde “als Bereicherung” verstanden, der SK Rapid wolle “als grün-weiße Gemeinschaft einen Beitrag zu mehr Diversität und Inklusion leisten”. Und: “Die Verunglimpfung von Menschen aufgrund von verschiedenen Merkmalen oder Lebensweisen” solle “bei Rapid keinen Platz haben”.  Das Problem: Offensichtlich hat sie einen Platz.

Es wird auch weder das Verhalten der Fans angesprochen, noch werden Konsequenzen ausgesprochen. Die Causa würde “intern” aufgearbeitet, so Wrabetz und Hanappi-Egger. Das ist zu wenig. Welche Strafen Rapid jetzt drohen, könnt ihr hier lesen! 

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Co-Trainer Stefan Kulovits wird von Rapid folgendermaßen zitiert: Er hätte in seinem Freundeskreis “Menschen aus allen Gesellschaftsschichten mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen”. Allerdings ist “Ich habe eh schwule Freund:innen” noch nie eine gute Antwort auf den berechtigten Vorwurf der Homophobie gewesen. Dazu wolle sich Kulovits “umgehend in einem persönlichen Gespräch bei den Kollegen der Wiener Austria entschuldigen”. Eine Entschuldigung bei der LGBTI+-Community kündigt er nicht an.

Von Grüll gibt es in der Aussendung des Vereins kein Statement. Im Nachgang meldet er sich via Instagram zu Wort. Er würde sich “für die gesagten Worte nach dem Wiener Derby” entschuldigen. Grüll würde sich auch “ganz klar von jeglicher Art der Ausgrenzung” distanzieren, Homophobie dürfe “keinen Platz in unserer Gesellschaft haben”. Kapitän Burgstaller würde sich laut dem offiziellen Rapid-Statement bei “allen entschuldigen, die wir durch unser Verhalten direkt oder indirekt beleidigt haben”. Immerhin. Doch auch hier wird die gesamte homophobe Unkultur bei Rapid nicht angesprochen.  Denn all das sind keine Einzelfälle. Der neue erste Homophobie-Skandal reiht sich ein in immer neue einschlägige Skandale der Grünen.

Bereits im Mai 2022 hatte die Fanszene von Rapid beim Auswärtsspiel gegen die Austria ein eindeutiges Banner gezeigt: “Schwuler FAK – Weder Klasse noch Masse”. Gezeichnet von den Ultras Rapid, der Führungsgruppe der Hütteldorfer. Es war nicht das erste Banner mit dieser Parole. Bereits im Mai 2018 wurde ein ähnlicher “Fetzn” gezeigt, wie solche Banner in der Szene heißen.

Eine widerliche Chronologie

Im gleichen Jahr hatte die Rapid-Szene den damaligen Austria-Spieler Raphael Holzhauser als “Woamen” also Schwulen, beschimpft. Wieder gezeichnet von den Ultras Rapid. Das gleichzeitig präsentierte Austria-Logo wurde von einer Zeichnung mit zwei Männer-Zeichen und dem Lambda-Symbol flankiert, das oft in der Schwulen-Szene verwendet wird. Dazu die Aufschrift “Angsthasen”. Die klassische homophobe Abwertung des “ängstlichen Schwulen”.

Zwei Jahre davor waren damalige Austria-Fanclubs und Club-Verantwortliche auf einem weiteren Banner abwertend als schwul dargestellt worden. Und auch im Wiener Stadtbild gibt es einschlägige Aufkleber mit Aufschriften wie “Wien hasst Homos” oder “We hate Homos”. Wiederum ist das Ziel der homophoben Beschimpfungen der violette Erzrivale. Und es gibt weitere Probleme: Im Wiener Stadtbild tauchen zunehmend Neonazi-Aufkleber mit Rapid-Bezug auf.

Was Rapid tun kann

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Rapid wird das zum Anlass nehmen müssen, um nun endlich reinen Tisch zu machen. Homophobie und Sexismus sind gesellschaftliche Probleme. Es wäre real also eher überraschend, wenn es solche problematischen Positionen nicht genauso unter Spielern und Funktionär:innen gäbe. Doch ein Verein hat auch die Aufgabe, den eigenen Spielen bestimmte Werte zu vermitteln. Das gilt gerade für den Nachwuchs und hier ist Rapid in der Pflicht.

Was vermittelt es für ein Bild, wenn der Co-Trainer und zwei Führungsspieler stattdessen homophobe Parolen vorgeben? Stellen wir uns vor, ein junger Spieler von Rapid würde sich überlegen, sich als schwul zu outen. Und dann sieht dieser schwule Nachwuchsspieler, dass der Co-Trainer der Kampfmannschaft, wo er spielen will, sich offen homophob äußert. Nach solchen Ereignissen muss sich niemand wundern, wenn Spieler sich weiterhin nicht outen wollen. Doch Rapid hat die Aufgabe, diese Spieler zu schützen und zu unterstützen.

Bild: Michael Bonvalot

Das bedeutet: Bewusstseinsarbeit. Regelmäßige Zusammenarbeit mit Institutionen der LGBTI+-Community. Unterstützung bei Outings. Eindeutige und wiederholte Statements, Signale und Symbole auf sozialen Medien, auf der Vereinshomepage und im Stadion. Regenbogen-Fahnen an den Eckstangen sind beispielsweise sehr einfach umzusetzen. Und: Konsequente Durchsagen des Platzsprechers bei homophoben Parolen. Und auch die Bundesliga muss nun klare Worte finden!

Wichtig ist dazu auch, was die grüne Szene selbst tut. Einzelne Fangruppen halten bereits zumindest mit Aufklebern dagegen, etwa die “Sektion Tschick”: “Homophobie fügt Ihnen und den Menschen in ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu.” Ein erster und wichtiger Schritt.

Und was ist mit den anderen Vereinen?

In Fußball-Szenen gibt es die schlechte Tradition, nach jedem Skandal “aber die anderen auch” zu schreien. Und natürlich müssen auch andere Vereine ihre Hausaufgaben machen. Die homophobe Parole “arschwarm” gibt es etwa genauso aus dem Austria-Anhang gegen die Grünen. Ebenso wie den Chant vom “Schwulen SCR” über Rapid. Oder sexistische Parolen. Austria-Fans sollten hier also nicht auf Rapid zeigen. Sondern die Homophobie-Probleme im eigenen Stadion und der eigenen Szene angehen.

Dennoch gibt es jüngst aus der Austria-Szene Positives zu vermelden. Nach dem Derby dürfte sich die Freundschaft von Teilen der Austria-Szene mit den Nazis von Slovan Bratislava endgültig erledigt haben. Was den Nazis dem Vernehmen nach vom Großteil der aktiven Austria-Szene deutlich spürbar mitgeteilt wurde.

Doch entscheidend ist: Diskriminierung ist um nichts besser, wenn sie auch in anderen Vereinen passiert. Und: Jeder echte Fan eines Vereins sollte vor allem ein Interesse daran haben, dass es beim eigenen Verein keine Probleme mehr gibt. Und nicht stattdessen zur Ablenkung auf andere zeigen.

Update: Statement von Marco Grüll eingefügt.

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