Michael Westerkam wurde bei der Fahrrad-Demo am 1. Mai im Wiener Prater von einem Polizisten vom Fahrrad gestoßen und danach getreten – das Video ist viral gegangen. Jetzt erzählt er seine Geschichte.

Am 1. Mai wollte Michael Westerkam einfach an einer Fahrrad-Demo in Wien teilnehmen. Die Demo endete für den 29jährigen Brotverkäufer damit, dass er von Polizisten vom Fahrrad gestoßen und dann auch noch getreten wurde. Das hochauflösende Video dieser Szene habe ich exklusiv hier veröffentlicht. Nun erzählt Michael, was an diesem Tag passiert ist.

Michael, am ersten Mai warst Du bei der Fahrrad-Demo in Wien dabei. Wie hat die ganze Situation begonnen?

Die Rad-Demo ist gegen 15 Uhr am Ring gestartet, am Anfang war eigentlich alles noch ganz ruhig und entspannt. Wir waren sicher ein paar hundert Menschen, das Wetter war super. Fst alle hatten Masken, das war alles sehr diszipliniert

Wie hat sich die Polizei verhalten?

Am Anfang war es ruhig, doch ich hatte bald das Gefühl, dass die Situation seitens der Polizei zunehmend aufgeheizter wurde. Die Polizei ist mit den Bussen und Motorrädern immer näher an die Fahrräder gekommen, die Fahrweise wurde aggressiver. Das war teils schon sehr gefährlich.

Einen Zwischenfall habe ich etwa bei der Mariahilfer Straße bemerkt, da war dann auf einmal Polizei auf Motorrädern in der Demo. Wir sind dann weiter über den Karlsplatz Richtung Prater.

Die Demo war ja gegenüber der Behörde im Vorhinein nicht angezeigt – was aber an sich kein Grund für eine Auflösung ist. Hast Du jemals gehört, dass es eine Durchsage der Polizei gegeben hätte, dass die Demo aufgelöst sei?

Ganz klar: Nein. Das habe ich zu keinem Zeitpunkt gehört.

Ihr seid dann auf die Hauptallee im Prater gefahren. Wie ging es dort weiter?

Auf der Hauptallee ist auf einmal ein Polizeibus links an mir vorbeigefahren, sehr schnell und mit Blaulicht. Ich fand das ziemlich gefährlich und bin deshalb abgebogen. Irgendwann habe ich bemerkt, dass der Bus hinter mir fährt. Auf einmal überholt mich der Bus rechts und ist auf gleicher Höhe.

Ich habe gehört, dass ich anhalten soll – aber bevor ich das tun konnte, habe ich schon einen Tritt gegen den Oberschenkel gekommen und bin mit dem Fahrrad ins Straucheln gekommen. Der Polizist hat mich regelrecht vom Fahrrad runtergetreten.

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Michael Bonvalot

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War die Gewalt damit vorbei?

Nein, es sind dann mehrere Polizisten aus dem Bus gesprungen, haben mich auf den Boden geworfen und fixiert. Ich habe auch bereits da einen Schlag in die Seite bekommen, wahrscheinlich war es ein Tritt.

Ich habe versucht, die gesamte Situation zu deeskalieren, habe immer wieder einfach nur okay gesagt. Irgendwann haben sie mich dann losgelassen, es war wohl klar, dass von mir keine Gefahr ausgeht

Wurde Dir vermittelt, warum gerade Du so behandelt wurdest?

Ich hatte eine kleine rote Fahne, die aus dem Rucksack geschaut hat. Als ich dagelegen bin, hat mich der Polizist, der mich später getreten hat, immer wieder angeschrien. Warum ich eine rote Fahne habe und ob ich ein Rädelsführer bin. Das war komplett absurd.

Auf diese rote Fahne bin ich übrigens sehr stolz. Ich habe die noch am Vormittag selbst genäht aus einem alten T-Shirt und mit einem Kleiderbügel eine Halterung gebastelt. Damit die Fahne im Rucksack stehen bleibt, war der Kleiderbügel mit Klebeband in einer Glasflasche fixiert.

Wie hat sich die Polizei dann weiter verhalten?

Der Polizist, der mich später getreten hat, hat mich gefragt, ob ich einen Ausweis hätte. Ich habe das bejaht. Er hat mich dann auch gefragt, was im Rucksack ist. Ich habe alles aufgezählt, auch die Glasflasche. Das war noch, bevor ich den Rucksack geöffnet habe. Ich bin über die ganze Zeit am Boden gesessen oder gelegen, das zeigt ja auch das Video sehr gut.

Ich habe dann die Geldtasche rausgenommen, wollte meinen Führerschein hergeben. Der Polizist hat mir den regelrecht aus der Hand gerissen und ist damit weggegangen. Die Flasche hat ihn überhaupt nicht interessiert.

Der Polizist ist dann ja zurückgekommen, wie das Video zeigt …

Genau. Ich habe gerade die Geldtasche zurück in den Rucksack gegeben, auf einmal hat der Polizist mich getreten. Das war völlig unvermittelt, er hat einfach zugetreten. Ich war ziemlich im Schock und bin deshalb nach hinten gefallen. Gleich danach ist er mir auch noch auf den Unterschenkel gestiegen und hat mir das Bein verbogen.

Der Polizist schreit Dich dann mehrmals an.

Ja, er mehrmals gebrüllt, dass wir in Österreich seien – warum ihm die Betonung dieses Umstands wichtig war, kann ich nicht sagen. Er hat dann auch gesagt, wenn es mir in Österreich nicht passen würde, könne ich ja nach Nicaragua gehen.

Die Polizei wirft Dir auf Twitter eine Angriffshandlung vor.

Das ist komplett lächerlich. Der Polizist ist ja zuvor einfach weggegangen, die Glasflasche war für ihn offensichtlich überhaupt kein Thema. Und er hatte ja zu diesem Zeitpunkt bereits meinen Führerschein und es ist auch auf dem Video eindeutig erkennbar, dass ich völlig ruhig bin.

Erst nachdem der Polizist wieder da war und mich getreten hatte, hat er mich aufgefordert, die Tasche zu öffnen. Er hat mich mehrmals nach der Fahne gefragt – und er war es, der dann die rote Fahne mit der Flasche aus dem Rucksack gezogen hat. Danach hat er die Fahne auf den Boden geworfen.

Wurden die dann konfisziert?

Die Fahne lag dann auf dem Boden, ich durfte sie zuerst nicht einräumen. Der Polizist hat behauptet, die Polizei würde sie noch brauchen. Aber ein paar Minuten später, als ich meinen Rucksack einräumen durfte, habe ich auch Fahne und Flasche eingepackt. Das hat niemanden interessiert.

Was wird jetzt passieren?

Ich überlege eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Polizei und lasse mich gerade juristisch beraten. Die Polizisten haben mir Anzeigen wegen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung angedroht.

Ein Grund wäre laut Polizei, dass ich kein Handzeichen gegeben habe, als ich auch auf Hauptallee vor dem Polizeibus ausgewichen und abgebogen bin. Das war der Bus, der so gefährlich nah zu mir gefahren ist. Der zweite Grund wäre, dass ich dann nicht sofort angehalten hätte – aber da haben sie mich ja vom Rad heruntergetreten.

Am Montag wurde ich bereits dann von einem Polizisten angerufen, der wollte mich auch auf das Video angesprechen. Ich habe aber keine Aussagen gemacht. Ich hatte im Prater übrigens auch keine Nummer hergegeben – Ich frage mich, woher die meine Nummer haben.

Michael, am 1. Mai hättest Du vieles machen können. In der Sonne liegen, etwas lesen, mit Sicherheitsabstand FreundInnen treffen – warum bist Du überhaupt auf die Fahrrad-Demo?

Es läuft doch richtig viel schief in Österreich und weltweit. Nicht nur COVID, sondern der Kapitalismus. Unsere Generation steht vor einem Scherbenhaufen: Die Klimakatastrophe, der enorme Reichtum einiger Weniger, die geflüchteten Menschen, die im Mittelmeer sterben. Ich möchte zeigen, dass es Menschen gibt, die eine andere Gesellschaft wollen. Es gibt so viele Gründe, am ersten Mai mit einer roten Fahne auf die Straße zu gehen.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Deine Maßnahmenbeschwerde!

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