Bei einem massiven Polizeieinsatz gegen die Antifa-Gedenkstätte und das Museum am Peršmanhof gibt es mehrere Anzeigen, drei Personen wurden vorläufig festgenommen.

Ein Polizeihubschrauber, Drohnen, eine Polizeihundestaffel sowie ein Großaufgebot an Polizistinnen mit sieben Fahrzeugen und über 30 – teils schwer bewaffneten – Beamt:innen. Mit diesem Aufgebot hätte die Kärntner Polizei am 27. Juli eine Aktion gegen die NS-Gedenkstätte und das Museum Peršman in Koroška/Kärnten durchgeführt. Der Einsatz richtete sich gegen ein antifaschistisches Bildungscamp

Zuletzt aktualisiert am 30.07.2025. Titelbild: Das Partisan:innen-Denkmal am Peršmanhof. Bild: Michael Bonvalot

Das gibt die Gedenkstätte Peršman in einer Aussendung bekannt. Der Peršmanhof in Železna Kapla/Eisenkappel ist eine der wichtigsten NS-Gedenkstätten in ganz Österreich. Während des Zweiten Weltkriegs war der Hof ein Stützpunkt der Partisan:innenbewegung der Kärntner Slowen:innen. SS-Polizeieinheiten verübten dort am 25. April 1945 ein Massaker an elf Zivilist:innen. Bereits 1982 wurde der Hof dann zum Museum umgestaltet.

Eine der wichtigsten NS-Gedenkstätten in ganz Österreich

Heute ist der Verein Peršman für die wissenschaftliche Aufarbeitung der Verfolgung der Kärntner Slowen:innen im Nationalsozialismus und des Widerstands gegen das NS-Regime verantwortlich. Dazu finden am Peršmanhof regelmäßig antifaschistische Bildungsveranstaltungen, Gedenkveranstaltungen und auch Partisan:innen-Gedenk-Wanderungen statt.

Das Museum Peršmanhof. Bild: Michael Bonvalot

Obmannstellvertreterin Eva Hartmann erklärt: „Wir haben in den letzten Jahren ein viel geschätztes Bildungsangebot für breite Teile der Bevölkerung aufgebaut, um für die wichtigen Themen unseres Museums mehr Aufmerksamkeit zu erlangen. Schulen, Lehrpersonen, Geschichtsinteressierte und Tourist:innen besuchen uns regelmäßig und wir bekommen viel Wertschätzung für unsere Arbeit.“

Identitätsfeststellungen und Anzeigen

Die Landespolizeidirektion Koroška/Kärnten bestätigt den Einsatz in einer Aussendung. Die Polizei hätte die Teilnehmer:innen des Bildungscamps „wegen des Verdachts von verschiedenen Verwaltungsübertretungen“ kontrollieren wollen. Dazu wollten die Polizist:innen unter anderem die Identität sämtlicher Teilnehmer:innen feststellen, was verweigert wurde.

Ausstellung am Peršmanhof. Bild: Michael Bonvalot

Schließlich hätte die Polizei „mehrere Anzeigen“ nach „diversen Kärntner Verwaltungsgesetzen“ erstattet, dazu eine Anzeige wegen Verdachts des Widerstands gegen die Staatsgewalt. Drei Personen seien wegen behaupteter Verstöße gegen das Fremdenpolizeigesetz festgenommen worden, alle drei wurden später freigelassen.

Die Polizei spricht allerdings von 13 eingesetzten Polizist:innen, nicht von 30 wie der Peršmanhof. Der scheinbare Widerspruch ist aber vermutlich einfach auflösbar: Die unterschiedlichen Zahlen erklären sich wohl damit, dass auch Vertreter:innen der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt sowie des BFA (Bundesamt Fremdenwesen und Asyl) am Einsatz beteiligt waren.

Über 60 Anzeigen

Auf meine Anfrage schreibt die Landespolizeidirektion Kärnten, es seien insgesamt 64 Anzeigen erfolgt. 62 dieser Anzeigen seien wegen angeblicher Verwaltungsübertretungen erfolgt, etwa „Anstandsverletzungen“ oder vermeintliche Verstöße gegen das Naturschutzgesetz. Weiters seien zwei angebliche Widerstände gegen die Staatsgewalt angezeigt worden. Dazu seien 32 Identitätsfeststellungen und 2 Personsdurchsuchungen durchgeführt worden. Hier habe einige wichtige Rechte aufgeschrieben, die Du im Umgang mit der Polizei hast.

Die kärntnerisch-slowenische Wochenzeitung Novice schreibt von einem stundenlangen Polizeieinsatz. Laut einer Rekonstruktion der burgenland-kroatischen Seite Novi Glas hätte sich ein Teil der Camp-Teilnehmer:innen verschreckt ins Museum zurückgezogen. Daraufhin hätten die Polizist:innen versucht, sich Zugang zur Gedenkstätte zu verschaffen: „Als die Einsatzkräfte die Tür öffnen, verletzen sie eine Person leicht. Sie wird später von der Rettung ambulant versorgt“, so Novi Glas.

Ein antifaschistisches Bildungscamp wäre „sittenwidrig“

Der Ort des Polizeieinsatzes macht eine Aussage noch unfassbarer, die Polizei-Einsatzleiter Gerold Taschek laut der NS-Gedenkstätte getätigt hätte. Denn der Verfassungsschutzmann hätte den Einsatz damit gerechtfertigt, „dass ein antifaschistisches Bildungscamp einen sittenwidrigen Umgang mit der Gedenkstätte“ darstellen würde. Auf meine diesbezügliche Anfrage ist die Landespolizeidirektion Koroška/Kärnten in ihrer Antwort nicht eingegangen.

Ausstellung am Peršmanhof. Bild: Michael Bonvalot

Für die Museumsbetreiber:innen und den Klub Slowenischer Studierender in Wien (KSŠŠD), der das Camp ausgerichtet hatte, ist das eine „massive Grenzüberschreitung“ seitens der Behörden. Und der Verein weist darauf hin, dass unter den Teilnehmenden und Vortragenden auch Nachfahren von Widerstandskämpfer:innen und NS-Opfern aus der Region anwesend gewesen wären.

Dazu kritisiert der Verein das Vorgehen der Polizei insgesamt scharf: „An einem Ort, an dem kurz vor Ende des 2. Weltkrieges vor 80 Jahren Angehörige des SS- und Polizeiregiments 13 in einem Überfall elf Familienangehörige der Familien Sadovnik und Kogoj brutal ermordeten, muss ein derart unverhältnismäßiges und aggressives Vorgehen als pietät- und respektlos aufgefasst werden. Bildungs- und Gedenkarbeit für anwesende Besucher:innen wurde dadurch gravierend gestört.“

Scharfe Kritik von Gedenkstätte und Volksgruppenbeirat an der Polizei

Besondere Brisanz bekommt das Vorgehen der Polizei auch deshalb, weil es sich um eine Gedenkstätte der slowenischen Minderheit in Österreich handelt. Und diese Minderheit muss in Koroška/Kärnten und Štajerska/der Steiermark bis heute zahlreiche Schikanen ertragen. In Štajerska/der Steiermark ist die slowenische Minderheit bis heute nicht einmal anerkannt. An anderer Front sind die Behörden dagegen großzügiger.

Eine Gedenkstätte für Ermordete in der Region rund um den Peršmanhof. Bild: Michael Bonvalot

Die Gedenkstätte liegt im Bereich des Bezirks Velikovec/Völkermarkt. Und noch 2019 setzte sich die dortige Bezirkshauptmannschaft (BH) sogar über ein von ihr selbst beauftragtes Gutachten hinwegDamals ging es um die Frage, ob der jährliche Massenaufmarsch der Fans der kroatisch-faschistischen Ustaša in Pliberk/Bleiburg verboten werden müsse.

Ja, sagte ein Gutachten von Verfassungsrechtler Heinz Mayer im Auftrag der BH. Doch die Behörde unter der Leitung von Gert-Andre Klösch setzte sich über das Gutachten hinweg – und entschied im Sinne der katholisch-faschistischen Veranstalter:innen. Der Aufmarsch mit mehreren tausend Teilnehmer:innen konnte stattfinden.

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Wenn es um den Widerstand der kärntnerisch-slowenischen Partisan:innen gegen den NS-Terror geht, wird dagegen offenbar scharf attackiert. Auf die besondere Brisanz weist auch Markus Gönitzer hin, Obmann des Vereins Peršman: „Stellen Sie sich ein solches Vorgehen der Exekutive in einer anderen NS-Gedenkstätte unseres Landes vor? Was sagen diese Ereignisse über die Wertschätzung gegenüber der Kärntner slowenischen Volksgruppe und ihrer Geschichte aus?“, so Gönitzer.

Die BH Velikovec/Völkermarkt will zum aktuellen Einsatz am Peršmanhof laut ORF Koroška/Kärnten übrigens erst gar keinen Kommentar abgeben. Auffallend aber ist: Der Völkermarkter Bezirkshauptmann Gert-Andre Klösch war während der Polizei-Attacke ebenfalls vor Ort, so Novi Glas unter Berufung auf volksgruppen.orf.at

Rechtsanwalt Rudi Vouk berichtet gegen der ORF-Volksgruppenredaktion, dass der Einsatzleiter Gerold Taschek vom Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung auf eine juristische Befragung vorbereitet gewesen wäre. Er hätte ausgedruckte Dokumente bei sich gehabt und eine Begründung, warum die Polizei so vorgehen dürfe, wie sie es tat. Vouk sagt laut Übersetzung von Novi Glas: „Meiner Meinung nach war das eine von langer Hand geplante Aktion, mit dem Ziel Jugendliche, die das antifaschistische Gedenken kultivieren, einzuschüchtern.“

„unverhältnismäßig, respektlos und retraumatisierend“

Auch Bernard Sadovnik, Nachfahre der Opfer-Familie Sadovnik, Bürgermeister von Globasnica/Globasnitz und Vorsitzender des Volksgruppenbeirates, äußert sich zu den Vorgängen: „Als Nachfahre der Peršman-Familie und als Vertreter der slowenischen Volksgruppe bin ich zutiefst erschüttert darüber, was heute am Peršmanhof passiert ist. So ein massiver Polizeieinsatz genau 80 Jahre nach dem Massaker reißt bei mir als Nachkomme Wunden auf. Ich bin ohne Worte und von den Gesprächen mit den jungen Menschen vor Ort zutiefst betroffen. Der Polizeieinsatz stand in keiner Relation mit den Vorwürfen. Ich fordere eine sofortige lückenlose politische Aufarbeitung dieses skandalösen Vorfalls und seiner Hintergründe.“

Denkmal für die Opfer und den Widerstand der Partisan:innen im slowenischen Maribor. Bild: Michael Bonvalot

In einem offenen Brief an den Bundespräsidenten und die Bundesregierung schreibt Sadovnik dazu, der Einsatz sei „unverhältnismäßig, respektlos und retraumatisierend“ gewesen. „Bei meinem Eintreffen heute am Peršmanhof sind mir nur noch die Tränen geflossen.“ Und Sadovnik erklärt: „Das Trauma sitzt tief. Bis in die dritte Generation leiden Nachkommen unter Ängsten und Minderwertigkeitsgefühlen. Viele sprechen gar nicht erst darüber. Es kann sich keiner vorstellen was dieses Ereignis in uns Nachkommen auslöst.“

Die Gedenkstätte prüft jetzt rechtliche Schritte

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Die Betreibervereine des Museums sowie die Organisator:innen des Bildungscamps prüfen nun nach eigenen Angaben rechtliche Schritte. Obmannstellvertreterin Eva Hartmann und die Gedenkstätte betonen vor allem auch die politische Dimension: Dass die Gedenk- und Erinnerungsarbeit des Museums „80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges noch immer mit derartigen Kriminalisierungsversuchen konfrontiert wird, ist zutiefst verstörend“, so Hartmann.

Dieses Bild entstand während einer Partisant:innen-Gedenk-Wanderung rund um den Peršmanhof. Hier kämpften die Partisan:innen gegen das NS-Regime. Bild: Michael Bonvalot

Und auch in der Aussendung des Vereins heißt es: „Die politische Dimension des Polizeieinsatzes ist wohl die schwerwiegendste. Dass die Polizei Nachfahren von NS-Opfern und Widerstandskämpfer:innen vorschreiben möchte, wie Gedenken auszusehen hat und das selbstbestimmte Gedenken im Museum strafrechtlich sanktionieren möchte, ist nicht hinzunehmen. Wir fordern dahingehend auch politische Vertreter:innen dazu auf, die heutigen Vorgänge klar zu verurteilen und die Verantwortung dafür aufzuklären.“

Zweierlei Maß

Während die Kärntner Polizei scharf gegen die NS-Gedenkstätte vorgeht, gelten ganz in der Nähe offenbar andere Regeln. Denn am nahegelegenen „Turnersee“ steht bis heute ein deutschnationales Lager, das vor allem vom einschlägig bekannten „Österreichischen Turnerbund“ (ÖTB) genutzt wird. Das Heim war noch bis Frühjahr 2025 nach jenem SS-Mann benannt, der 1932 hauptverantwortlich für die Gründung war. Das damalige Ziel: Die Germanisierung der slowenischsprachigen Region.

Das zeigen auch Eingaben an die SS-Führung, nachdem die Nazis 1938 in Österreich die Macht übernehmen. Die entsprechenden Unterlagen habe ich im deutschen Bundesarchiv ausgehoben. Die Region sei für die Nazis besonders wichtig, um das Land zu „germanisieren“, so der österreichische NS–Chefideologe Friedrich Rainer, damals Gauleiter von Salzburg: „Dieser Punkt Kärntens ist volkspolitisch von größter Wichtigkeit. Einzelsiedler sind verlassen, durch den planmässigen Einsatz von SS-Wehrbauern aber könnte das Gebiet bis zu den Karawanken erobert werden.“ Und noch heute rekrutieren extreme Rechte am Turnersee sogar Kinder. Die ganze Geschichte habe ich hier für Dich aufgeschrieben.

Kärntens Polizei will „sensibel“ sein

Die Landespolizeidirektion Koroška/Kärnten schreibt mir am 28. Juli, dass es inzwischen ein Statement von Landespolizeidirektor-Stellvertreter Markus Plazer gibt. Der kündigt „aufgrund der Irritationen“ in der Öffentlichkeit eine „umfassende Analyse der polizeilichen Maßnahmen“ an. Es wäre allerdings wünschenswert, wenn solche Einsätze künftig gar nicht erst stattfinden – und auch nicht erst die „Irritation“ der Öffentlichkeit nötig ist.

Ausstellung am Peršmanhof. Bild: Michael Bonvalot

Und Plazer weiter: „Orte von grausamen NS-Verbrechen, wie der Peršmanhof“ seien „Orte einer modernen und regional verankerten Erinnerungskultur zu den Gräueltaten des NS–Verbrecherregimes, aber vor allem sind sie auch Orte des Gedenkens an den österreichischen Widerstand“. Und „jede polizeiliche Maßnahme an einem derartigen Ort“ bedürfe „besonderer Sensibilität und Bewusstsein über die Geschehnisse vor mehr als 80 Jahren“.

Da hat der Landespolizeidirektor-Stellvertreter wohl recht. Aber wie will die Kärntner Polizei dann diesen Einsatz rechtfertigen?

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