Bis zu 200.000 Menschen waren in Budapest trotz Verbot auf der Straße. Kleine Nazi-Gruppen wirkten bestenfalls lächerlich. Mein Bericht aus Budapest!
Sie haben keine Angst mehr! Unglaubliche Menschenmassen tauchten am Samstag die Innenstadt von Budapest in ein Meer aus Regenbogen-Fahnen. Trotz Verbot durch die rechte Regierung. Nach Angaben der Organisator:innen waren bis zu 200.000 Menschen auf der Straße – nach meinem eigenen Eindruck können es auch noch mehr gewesen sein.
Der Abmarsch der Parade von Budapester Rathauspark war für 15:00 Uhr angekündigt. Soweit mein Team und ich es überblicken konnten, sind ungefähr da tatsächlich auch die ersten Menschen Richtung Donau-Kai losgegangen. Doch rund eineinhalb Stunden später warteten immer noch Menschen am Rathausplatz auf den Abmarsch.
Orbán und die Rechten sind gnadenlos gescheitert
Gleichzeitig verwandelten da bereits riesige Mengen von Menschen die Straßen von Budapest in eine einzige Demonstration: Für gleiche Rechte und gegen das autokratische Regime von Präsident Viktor Orbán. Dabei hatte der extrem rechte Präsident im Vorfeld mit wüsten Drohungen versucht, die Parade zu verbieten und zu verhindern. Noch im Februar hatte Orbán in einer Rede etwa behauptet, dass die Parade auf keinen Fall stattfinden würde.
Viele tausend Menschen demonstrieren auf der #BudapestPride gegen das rechte Orbán-Regime und für gleiche Rechte für alle Menschen – und es werden immer mehr!
🏳️🌈 pic.twitter.com/EHFIWFlQSn
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) June 28, 2025
Damals behauptete der Autokrat vollmundig, dass die Aktivist:innen, die die Parade organisierten, sich die Mühe gar nicht machen sollten. Das sei „reine Geldverschwendung“. Und Justizminister Bence Tuzson tönte noch Mitte der Woche: „Die Pride ist eine gesetzlich verbotene Versammlung.“ Wer teilnehme, würde eine Straftat begehen. Doch die Aktivist:innen haben sich davon nicht einschüchtern lassen. Und sie haben auf ganzer Linie gewonnen.
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Die rechtliche Lage war ohnehin verworren: Budapests linksliberaler Bürgermeister Gergely Karácsony hatte nach dem Verbot die Parade als „Freiheitsfest“ der Stadt organisiert. Damit wäre die Parade nicht dem Versammlungsverbot unterlegen. Die Polizei und Regierung widersprachen, dazu wurde allen Teilnehmer:innen mit Gesichtserkennung gedroht. Genützt hat es offensichtlich nichts.
„Frieden und Liebe können nicht verboten werden“
Bereits gegen Mittag waren überall im Rathauspark große Schilder angebracht, die das Wappen der Stadt Budapest in Regenbogen-Farben zeigten. Auf den Schildern Aufschriften wie „Freedom and love can’t be banned!“ Oder auch „Budapest liebt“ („Budapest szeret“).

Bild: Michael Bonvalot

Bild: Michael Bonvalot

Bild: Michael Bonvalot

„Was zur Hölle passiert in diesem Land?“. Bild: Michael Bonvalot
Die immer zahlreicher eintreffenden Parade-Teilnehmer:innen zeigten stolz ihre Regenbogen-Symbole. Dazu wurden auch zahlreiche – oft selbstgemachte – Schilder und Fahnen mit verschiedenen Botschaften mitgeführt: Für gleiche Rechte und gleiche Liebe, gegen Rassismus, gegen Orbán und seine extrem rechte FIDESZ-Partei. Die FIDESZ ist die ungarische Schwesterpartei der FPÖ.
Die Demo ist riesig!
Auch Passant:innen grüßten die Demo: Immer wieder sind an Fenster solidarische Regenbogenfahnen anbebracht, Menschen winken und grüßen. Die Polizei hielt sich dagegen weitgehend zurück. Es wäre wohl auch gar nicht möglich gewesen, effektiv gegen diese Menschenmassen vorzugehen.

Bild: Michael Bonvalot

Bild: Michael Bonvalot
Und spätestens, als die Demonstrant:innen dann über die berühmte Elisabethbrücke auf die andere Seite der Donau marschierten, muss für die letzten klar geworden sein: Diese Demonstration ist riesig! Auf der Budaer Seite der gesamte Donaukai voller Menschen, auf der Seite von Pest immer neue Menschen, die zur Brücke kommen. Dazu Musik, Jubel, gute Laune!
Kleine Nazi-Provokationen sind bestenfalls lächerlich
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Auf der Budaer Seite unter dem Burgberg haben sich dann auch einige Mini-Grüppchen von Neonazis unter dem Schutz der Polizei versammelt: Erst direkt an der Brücke eine Gruppe von gezählten fünf Nazis der Gruppe „64 Komitate“, die von einem Groß-Ungarn träumt.
Um die Dimensionen klarzumachen: Dieses Groß-Ungarn würde die gesamte Slowakei, fast ganz Kroatien, große Teile von Rumänien, Moldawien und der Ukraine sowie Teile von Bosnien-Herzegowina, Österreich, Polen, Serbien, Slowenien und Tschechien umfassen.

Bild: Michael Bonvalot
Das ist die #BudapestPride 2025! Am Rand gezählte fünf armselige Nazis. Auf den Straßen sicherlich weit mehr als hunderttausend Menschen gegen das extrem rechte Orbán-Regime und für gleiche Rechte für alle Menschen! 🏳️🌈 pic.twitter.com/TyZVCo7xpj
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) June 28, 2025
Die fünf Nazis werden allerdings meist ignoriert, bestenfalls belächelt. Kurz danach dann eine weitere Provokation am Fuße des Burgbergs: Dort haben sich rund 30 Nazis versammelt, mobilisiert von der Neonazi-Partei „Unsere Heimat“. Auch dieses kleine Grüppchen steht unter Polizeischutz, es sind ausschließlich Männer, die versuchen, möglichst grimmig dreinzuschauen. Tatsächlich wirken auch diese rund 30 Figuren völlig verloren und bestenfalls lächerlich in einem riesigen Meer von Menschen, das über Stunden an ihnen vorbeizieht. Mit Lebensfreude und in den Farben des Regenbogens.
Ein unglaublicher Erfolg für die LGBTI+-Bewegung
Am Schluss der Parade am Donaukai wirkt die Lage aufgrund der riesigen Menge von Menschen dann schließlich völlig unüberschaubar. Ein Teil der Menschen bleibt bei der Schlusskundgebung direkt am Kai, viele gehen aber auch in andere große Straße – gut möglich, dass hier noch spontane Demonstrationen folgten.
Tausende Menschen feiern und demonstrieren auf der #Budapestpride lautstark gegen das extrem rechte Orbán-Regime und für gleiche Rechte für alle Menschen! 🏳️🌈 pic.twitter.com/ZKk6uCyD2x
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) June 28, 2025
Die Demonstration, die zu den größten in der Geschichte Ungarns gehörte, ist ein enorm starkes Zeichen des Widerstands gegen das autokratische Orbán-Regime. Nicht zuletzt auch im Hinblick auf die nächste Parlamentswahl, die voraussichtlich im April 2026 stattfinden werden. Nach den aktuellen Umfragen könnte die extrem rechte Regierung ihre Mehrheit verlieren.
Die Gefahr ist nicht vorbei!
Gleichzeitig sollte der Versuch des Orbán-Regimes, die Parade zu unterdrücken, auch nicht verharmlost werden. Mit immer neuen Gesetzen attackiert die Regierung die LGBTI+-Bewegung und will sie in die Unsichtbarkeit treiben. Auch wenn es nun eine Niederlage für die extremen Rechten gab, sind diese Gesetze immer noch eine tägliche Gefährdung.

Bild: Michael Bonvalot
Und auch die internationalen Schwesterparteien der FIDESZ dürfe nicht unterschätzt werden: Die FPÖ hätte ab Frühjahr 2025 in Österreich fast den Bundeskanzler gestellt, die tschechische ANO wird vermutlich bei der Parlamentswahl im Oktober 2025 vorne liegen, ebenso der RN von Marine Le Pen bei den nächsten Wahlen in Frankreich. Und Ungarn zeigt, was die extreme Rechte an der Macht für die Menschen bedeutet.
Eine Entwarnung ist also nicht angesagt. Doch gleichzeitig haben unglaublich viele Menschen in Ungarn am Samstag gezeigt: Sie haben keine Angst mehr. Und das ist ein unglaublich wichtiges Signal und ein unglaublich wichtiger Schritt.
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