Ein Mann hebt beim Stadtfest Steyr die Hand zum Gruß, dazu brüllt er einschlägige Parolen. Jetzt ermitteln die Behörden. Doch es ist nur die Spitze des Eisbergs.

Zwei Männer stehen vor einem Zigarettenautomaten, ein dritter Mann wartet. Es wäre eigentlich eine alltägliche Szene am Rande des Stadtfests Steyr, das vom 27. bis 29. Juni über die Bühne ging. „Die beiden Männer waren offenbar nicht sonderlich schnell“, wie Passant Patrick Dürwalder* erzählt. Doch dann eskaliert die Situation auf einmal komplett.

Titelbild: Privat

Dürwalder und seine Begleitung besuchen am Abend des 27. Juni das Stadtfest (sein Name ist auf seinem Wunsch geändert, der vollständige Name ist mir bekannt). Dabei kommen die beiden an der Szene vorbei, die sich gerade bei der Zwischenbrücke im Stadtzentrum abspielt.

Ein Video zeigt die eindeutige Geste

Ein weiterer Mann hinter den beiden am Automaten hätte sie dann gebeten, sich etwas zu beeilen, erzählt Dürwalder. Doch als Reaktion hätten die beiden erst recht nicht weitergemacht – stattdessen soll einer der beiden auf einmal laut „Mir wurscht, Heil Hitler, Heil Hitler!“ gebrüllt haben.

Die Zwischenbrücke in Steyr. Bild: Yolo, CC BY-SA 3.0 AT

Ob diese Worte tatsächlich gefallen sind, ist nicht zu verifizieren und es gilt die Unschuldsvermutung. Doch für die eindeutige Geste gibt es sehr einen klaren Beleg: Denn Dürwalders Begleitung nimmt das Handy heraus und beginnt, die Situation zu filmen. Das Video liegt mir vor.

Und darauf ist eindeutig zu sehen, wie der Mann sekundenlang die Hand zum Gruß ausstreckt. Dürwalders Eindruck: „Ich glaube, er hat den Mann als ‚Ausländer‘ gelesen, der ihn gebeten hatte, sich zu beeilen. Darauf hat er ihm die Hand entgegengestreckt.“

„Heil“-Parolen

Bekleidet ist der Parolen-Brüller mit einem blauen Pullover. Dürwalder erwähnt auch: „Das Zelt der FPÖ am Stadtfest stand am Ennskai, weniger als eine Gehminute entfernt“. Aus rechtlichen Gründen sei betont: Dass der Mann von der FPÖ-Veranstaltung kam, ist damit natürlich nicht bestätigt und wird auch nicht unterstellt.

Ebenfalls zu sehen ist im Video, wie der Mann die reichlich seltsame Parole „Heil Macron“ brüllt. Was der französische Präsident Emmanuel Macron mit der eindeutigen Geste und dem „Heil“-Gebrüll zu tun hat? Das erschließt sich auf den ersten Blick nicht. Passant Dürwalder hat eine Vermutung

„Als das Video lief, hat er sich offenbar nicht mehr ‚Heil Hitler‘ zu sagen getraut, dafür kam dann ‚Heil Macron‘ und später noch ein ‚Heil Trump'“, erzählt er. „Heil Macron“ könnte also ein Versuch gewesen sein, die vorherige Parole zu relativieren.

Die Behörden ermitteln bereits

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Nachdem das Video erst beginnt, nachdem der Mann „Heil Hitler“ gerufen haben soll, kann das nicht verifiziert werden (und es gilt dafür, wie erwähnt, die Unschuldsvermutung). Der einschlägige Gruß dagegen ist mit dem Video eindeutig belegt.

Dürwalder hat den Vorfall auch bereits zur Anzeige gebracht. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich bestätigt auf meine Anfrage, dass der Vorfall „polizeilich bekannt“ sei. Die Identität der Person sei ebenfalls bereits bekannt, die Ermittlungen seien „am Laufen“.

Verschwörungserzählungen in Steyr

Ganz Oberösterreich war und ist ein Schwerpunkt der extremen Rechten und der Verschwörungsszene. Doch spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich in Steyr nochmals eine besondere Blase entwickelt: Die Stadt im oberösterreichischen Zentralraum ist möglicherweise der einzige Ort in ganz Österreich, wo bis heute wöchentliche Mini-Aufmärsche der Szene stattfinden.

Immer noch versammeln sich jeden Sonntag ein paar Dutzend Figuren aus der gesamten Region am Stadtplatz und beten die sattsam bekannten Themen der Szene rauf und runter: Von der Verharmlosung der menschengemachten Klimakrise über eine angebliche „Genderlobby“ bis zur Propaganda gegen die lebensrettende Masernimpfung.

Antifaschistische Proteste

Antifaschistische Aktivist:innen halten seit Jahren dagegen und protestieren. Sie organisieren etwa immer wieder Kundgebungen am Neutor beim Stadtplatz, die sogenannte „Neutorwache“. Damit blockieren sie während der rechten Aufmärsche einen der Zugänge zum Platz.

Loni Meidl von den Omas gegen Rechts kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Behörden: „Alle Steuerzahler:innen müssen für die wöchentlichen Polizeieskorten der ‚Spaziergang‘-Versammlungen tief in die Tasche greifen.“

Oberösterreich als rechtes Labor

Dazu zeigt sich auch das gesamte Bundesland Oberösterreich immer deutlicher als Hotspot der extremen Rechten. Es ist allerdings kein neues Phänomen, das Land „ob der Enns“ ist eine alte deutschnationale Hochburg. Dementsprechend stark ist die FPÖ verankert.

 

Schon der erste FPÖ-Parteivorsitzende, Anton Reinthaller, war übrigens ein Oberösterreicher. Und der zeigt gleichzeitig die einschlägigen Traditionen der FPÖ: Reinthaller war ein hochrangiger Nazi und SS-Brigadegeneral. Bereits seit 2015 bildet die FPÖ gemeinsam mit der ÖVP auch die Landesregierung (die ÖVP stellt seit 1945 durchgehend den Landeshauptmann).

Was diese Dominanz von bürgerlichen und extremen Rechten in der Praxis bedeutet, zeigte sich erst kürzlich: Da haben ÖVP und FPÖ in Oberösterreich gemeinsam beschlossen, den Sozialmärkten für besonders arme Menschen alle Förderungen zu streichen.

Mit der Position in der Landesregierung ist die FPÖ inzwischen tief in allen Strukturen Oberösterreichs verankert. Und entsprechend viele Ressourcen gibt es, um die außerparlamentarische Rechte zu unterstützen.

„Steyr bleibt bunt“

Dazu haben auch auffallend viele Medienplattformen der extremen Rechten und der Verschwörungsszene ihren Sitz in Oberösterreich: Auf1, Info Direkt und Report24 haben ihre Zentrale bzw. Redaktionsanschrift in der Landeshauptstadt Linz, der Verschwörungssender RTV sitzt sogar direkt in Garsten bei Steyr. Einschlägige Figuren fühlen sich in einem solchen Klima naturgemäß besonders wohl.

Zumindest der Mann vom Steyrer Stadtfest könnte nun rechtliche Konsequenzen zu spüren bekommen. Doch gleichzeitig steht er für ein Problem, das noch viel tiefer reicht. Unwidersprochen bleibt das alles in Oberösterreich und auch in Steyr allerdings nicht. Das will auch Ruth Pohlhammer von der „Neutorwache“ klarstellen. Ihr eindeutiges Statement: „Steyr ist bunt, offen und tolerant und wird das auch bleiben.“

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