Eine bekannte Rechtsaußen-Buchhandlung in Wien hat nach Jahrzehnten zugesperrt. Jetzt kommt die Müllabfuhr. Und Rechte jammern, weil niemand ihren Mist wollte.
Um Bücher tut es mir fast immer leid. Es hat berufliche Gründe, ich habe eine Lehre als Buchhändler gemacht und lange in Buchhandlungen gearbeitet. Kurz: Ich mag Bücher. Doch manchmal gibt es Bücher, bei denen eine Zweitverwertung als Toilettenpapier ein enormer zivilisatorischer Fortschritt ist. Und das bringt uns direkt zur Wiener Buchhandlung Stöhr.
Über Jahrzehnte war die Buchhandlung in der Wiener Josefstadt die erste Adresse für alle, die noch heute traurig über den Ausgang des Zweiten Weltkriegs sind. Und daraus wurde gar kein Geheimnis gemacht: Schon die Auslagen des Geschäftes in der belebten Lerchenfelder Straße ließen wenig Fragen offen: Einschlägige rechte Verlage, Militär-Literatur und Zweiter Weltkrieg. Also ganz viel Zweiter Weltkrieg.
Müllverwertung, so wichtig
Doch nun ist Schluss damit, die Buchhandlung Stöhr hat endgültig dichtgemacht. Die Auslagen sind ausgeräumt, der Müll wurde in einem riesigen Container abtransportiert – und wird nun zu nützlichem Altpapier. Der Journalist Hannes Auer konnte den Moment einfangen und hat mir Bilder des Containers zur Verfügung gestellt – er legt Wert darauf, dass er die Buchhandlung und den einschlägigen Hintergrund nicht kannte. Eine weitere Passantin hat ein Bild der leeren Auslagen geschickt – vielen Dank an dieser Stelle an beide!

Bild: Privat, mit freundlicher Genehmigung
Und diese Bilder sind ein perfektes Spiegelbild des Stöhr-Sortiments. Verschwörungsideologin Monika Donner mit ihrem Geheul über eine angebliche „Corona-Diktatur“, mehrere Ausgaben von „Die Kriegsmarine – Deutsche Marine-Zeitung“ (in diesen Kreisen selbstverständlich in Frakturschrift) oder auch die „Chronik des Seekrieges 1939 – 45“.
Gratis-Propaganda gleich bei der Kasse
Als ich vor einigen Jahren zuletzt im Inneren der Buchhandlung gewesen war, zeigte sich auch dort die Rolle des Ladens für die Szene: Schon direkt neben der Kasse lagen Broschüren der „Arbeitsgemeinschaft für Politik“ (AFP). Heute spielt die AFP in der rechten Szene keine Rolle mehr. Doch über Jahrzehnte galt ihre jährliche „Politische Akademie“ als eines der wichtigsten Vernetzungstreffen der gesamten extremen Rechten – von der FPÖ über die außerparlamentarische Rechte bis zur offenen Neonazi-Szene.
„Die Broschüre können Sie gratis mitnehmen“, hieß es. Die Propaganda will ja verbreitet werden. Vor dem Eingang zum Stöhr waren übrigens regelmäßig Warnhinweise („Nazi-Buchhandlung“) auf den Boden gesprayt. Aus antifaschistischer Perspektive ist es vielleicht einzig um diese rechten Broschüren schade, die sogenannte „graue Literatur“. Denn diese Broschüren werden später kaum mehr zu bekommen sein – und es soll niemals wieder jemand behaupten können, „nichts gewusst“ zu haben.
„Gewehr bei Fuß“
Während das Geschäftslokal in der Lerchenfelder Straße 78 inzwischen dicht ist, ist der Online-Shop weiterhin online. Werbeslogan: „Wir ’stehen Gewehr bei Fuß‘ und freuen uns über Ihre Besuche!“. Für den ersten Eindruck ein Titel, der im Online-Shop der Buchhandlung Stöhr herausragend beworben wird: „Im Stab von Rudolf Heß. Verbindungsmann von Dr. Goebbels“.
Geschrieben vom ehemaligen „Reichsamtsleiter“ Walter Tießler – der im Buch laut Werbung die „Vor- und Nachteile“ des Nazi-Regierungsapparat beschreibt. Zur Einordnung: Tießler war ab 1935 Leiter des „Reichsring für Volksaufklärung und Propaganda“ und damit einer der wichtigsten Täter des NS-Regimes. Dazu gibt es im Shop auch das gesamte Sammelsurium einschlägiger Verlage.

Das war es dann mit der Buchhandlung Stöhr. Bild: Privat, mit freundlicher Genehmigung
Antaios von Identitären-Vordenker Götz Kubitschek; der deutsche Kleinverlag Bublies, wo etwa „wir selbst, Zeitschrift für nationale Identität“ erscheint; oder auch der äußerst rechte Ares-Verlag – die Politsparte des Grazer Leopold Stocker Verlags (der mit der Auslagerung wohl versucht, das große Geschäft mit der Landwirtschafts-Literatur harmloser erscheinen zu lassen). Kurz gesagt: Da bleibt kein rechtes Auge trocken. Vor allem, weil auch ein guter Teil dieser Machwerke nun im Müllcontainer gelandet sein könnte.
Die letzten angegebenen Öffnungszeiten auf der Stöhr-Homepage stammen allerdings vom Dezember 2021, die letzten Termine vom Dezember 2024. Sagen wir es so: Ich wäre als extremer Rechter aktuell auch im Online-Shop eher vorsichtig beim Bestellen. Apropos rechte Tränen:
Aber die bösen Linken!
Vor Erscheinen dieses Artikels hatte ich einen ersten kurzen Eintrag zum Ende der Buchhandlung Stöhr in sozialen Medien veröffentlicht. Die meisten Menschen zeigten sich sehr erfreut. Doch es gab auch manche, die beim Anblick des Containers Krokodilstränen über „linke Bücherverbrennungen“ oder ähnlichen Unsinn verbreiten wollten.
Stellen wir also die Fakten klar: Die Abwicklung per Müllcontainer haben klarerweise die Eigentümer:innen in Auftrag gegeben. Niemand hätte sie daran gehindert, ihr Zeug in der Szene weiterzugeben.
Doch es scheint, als wollte einfach niemand mehr diesen rechten Müll. Gut so.
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